Mit einem Trick gegen die Trypanosomen

Berner Forschende setzen alles daran, die Pharma-Industrie für den Kampf gegen die Tropen-Parasiten zu gewinnen. Mit einem neuen Ansatz wollen sie den Erregern der Schlafkrankheit und der Chagas-Infektion den Garaus machen.

Von Bettina Jakob 24. April 2012

In Afrika schwirren sie mit der Tsetse-Fliege an, in Südamerika kommen sie mit dem Biss einer Raubwanze: die Trypanosomen. Beim Menschen verursachen die einzelligen Parasiten die schwere Schlafkrankheit, an der in Afrika Tausende leiden und ohne Behandlung sterben. Die Chagas-Krankheit auf dem südamerikanischen Kontinent führt in 10 Prozent der Fälle zum Tod. «Noch immer handelt es sich bei diesen Krankheiten um vernachlässigte Tropenkrankheiten, gegen welche die Pharmaindustrie kaum neue Medikamente sucht, da sich deren Absatz in den armen Ländern kaum je auszahlen würde», sagt Thomas Seebeck. Doch der mittlerweile emeritierte Berner Zellbiologe und sein langjähriger Mitarbeiter Stefan Kunz haben nun einen vielversprechenden Weg gefunden, wie mit «relativ wenig» Aufwand ein Medikament entwickelt werden könnte. Ihre Ergebnisse haben sie nun im «Journal of Biological Chemistry» publiziert.

Molekulares Bild: Stellt Parasiten zwischen Blutzellen dar
Zwischen Blutzellen schwimmen die fadenförmigen Parasiten Trypanosoma brucei, welche die Schlafkrankheit verursachen. Bild: WHO/zvg

Schlüsselenzyme unter der Lupe

Dieser Weg führt über die sogenannten Phosphodiesterasen. Die Molekül-Gruppe mit der komplizierten Bezeichnung ist in den Trypanosomen für verschiedene Prozesse in der Zelle zuständig, sie sind «Schlüsselenzyme», wie Stefan Kunz erklärt: Erledigen die Phosphodiesterasen ihre Aufgaben nicht mehr, werden im Parasiten wichtige Signale nicht richtig übertragen, der Einzeller gerät ausser Kontrolle und stirbt schliesslich ab.  Das hat die Berner Gruppe mit genetischen und pharmakologischen Experimenten bereits nachgewiesen.

Um spezifische Hemmstoffe für diese Phosphodiesterasen entwickeln zu können, muss man zuerst die Struktur der Phosphodiesterase-Moleküle bestimmen – nicht ganz einfach bei den hoch komplexen dreidimensionalen Strukturen, welche die Enzyme aufweisen.

Vergrösserte Darstellung einer Bettwanze auf der Haut eines Menschen.
Sie ist die Überträgerin der Chagas-Krankheit, die Bettwanze Rhodnius prolixus. Bild: WHOTDRStammers/zvg

Die Ähnlichkeit von Mensch und Parasit

Genau an diesem Punkt kommt der Berner Ansatz zum Zuge. «Die Phosphodiesterasen von Trypanosomen sind denjenigen des Menschen sehr ähnlich. Über letztere ist aus jahrzehntelanger Forschung bereits viel bekannt, denn die menschlichen Phosphodiesterasen sind traditionellerweise wichtige Ziele für Medikamentenentwicklung», erklärt Thomas Seebeck: Der Mensch hat elf Phosphodiesterasen, die in vielfältige Prozesse verwickelt sind – etwa in die Gedächtnisleistung, Gerinnungshemmung und die Herzkontraktion.

Die Pharmaindustrie betreibt intensive Forschung um neue Wirkstoffe für Störungen im Bereich der Phosphodiesterasen zu generieren. «Auf dieser Grundlage wurde auch das Medikament Viagra entwickelt, das präzise eine der elf Phosphodiesterasen beim Menschen blockiert», veranschaulicht Kunz.

Das verflixte 3-D

Dieses umfassende Knowhow über die Phosphodiesterasen war also die grosse Chance für die Berner, schnell vertiefte Einblicke über Wirkungsweise und Aussehen des Enzyms der Trypanosomen zu gewinnen. Gleichzeitig ist Ähnlichkeit von menschlichen und parasitischen Phosphodiesterasen eine Crux: Da die Molekülstruktur von Mensch und Parasit sehr konserviert ist, ist es unumgänglich, einen hemmenden Stoff zu finden, der hochpräzise ausschliesslich die Enzyme des Parasiten angreift und nicht etwa auch diejenigen des Menschen. «In der aktuellen Studie haben wir nun im 3-D-Modell der Phosphodiesterase des Chagas-Erregers eine solche Stelle gefunden», freut sich Stefan Kunz.

Dreidimensionales Modell des aktiven Teils der Phosphodiesterase.
Das dreidimensionale Modell des aktiven Teils der Phosphodiesterase: Die roten «Kugeln» sind zwei Metall-Atome, die grüne Struktur ist ein Inhibitor-Molekül, das an das Protein bindet. Bild: zvg

Zusammenarbeit mit Industrie ist lanciert

Ein grosser Schritt – denn bereits für den Erreger der Schlafkrankheit haben die Berner Forschenden wichtige biochemische Strukturen beschrieben, welche die Suche nach einem hochspezifischen Wirkstoff einfacher machen. «Unsere Studien haben zu einer Reihe von potenten Hemmstoffen geführt, die nun als Kandidaten für Medikamente weiter evaluiert werden», erklärt Seebeck. Die Arbeiten finden im Rahmen eines internationalen Konsortiums aus Pharmafirmen und akademischen Forschungsgruppen.

Hoffnung also für die Betroffenen, die nach wie vor unter den Infektionen durch Trypanosomen leiden und entweder an der Infektion sterben oder an den heftigen Nebenwirkungen der herkömmlichen Medikamente. «Allerdings», so Seebeck, «wird es bis zu einem klinischen Einsatz eines Medikamentes sicher noch zehn Jahre dauern.»

Oben