Aufräumen auf zellulärer Ebene

Zellen checken sich gegenseitig auf ihre Fitness: Wer schwächer ist, verliert und stirbt. Anschliessend wird der Abfall säuberlich entsorgt – durch die sogenannten Hämozyten, wie der Berner Zellbiologe Eduardo Moreno zeigt. Er rückt damit die Rolle dieser besonderen Immunzellen in ein neues Licht.

Von Bettina Jakob 24. September 2012

Die Zellen im menschlichen Körper stehen im ständigen Wettbewerb zueinander. Sie vergleichen dauernd ihre Fitness – und nicht optimal funktionierende Zellen, die womöglich zu Krankheit führen könnten, werden ersetzt. Diese «Survival of the fittest»-Selektion nach Darwin’scher Manier sorgt schliesslich dafür, dass in einem Gewebe oder einem Organ nur die besten Zellen leben. Eduardo Moreno vom Institut für Zellbiologie der Uni Bern hat mit Forscherkollegen des «Spanish National Cancer Centre» nachgewiesen, dass der Wettbewerb zwischen den Zellen in verschiedenen Schritten abläuft. Dies beobachteten die Autoren im Tiermodell der Fruchtfliege Drosophila melanogaster. Ihre Studie ist nun in «Cell Reports» publiziert.

Mikroskopisches Bild verschiedenartig eingefärbter Zellen
Die Zellen im Wettbewerb: Die Gewinner-Zellen (blau), bringen die Verlierer-Zellen (grün) zum Absterben und das tote Zellmaterial (rot) wird anschliessend von Hämozyten einverleibt. Bild: zvg

Eine bisher unbekannte Rolle

Über einen Oberflächencode gelingt es Zellen, ihre Nachbarzellen auf deren Fitness zu testen. Zeigt sich in diesem Zellwettbewerb die eine Zelle als schwächlich, bringt die Gewinner-Zelle diese sogenannte Verlierer-Zelle dazu, ein Selbstmordprogramm zu starten. Alle Zellen sind mit diesem sogenannten Apoptose-Mechanismus versehen. Die Forschenden beobachteten nun im Tiermodell, dass die abgestorbenen Überreste der Verlierer-Zellen schliesslich von Hämozyten, speziellen Zellen des Immunsystems, umschlossen und gefressen werden.

Die Ergebnisse der neuen Studie zeigen diese wichtige Rolle der Hämozyten im Zellwettbewerb, die vorher nicht bekannt war: Hämozyten zirkulieren durch den Körpersaft der Fruchtfliegen und werden zu den Stellen dirigiert, wo ein Zellwettbewerb stattfindet, wo sie schliesslich die Zellabfälle einverleiben. Dieser Vorgang wird als Phagozytose bezeichnet. Damit eine Hämozyte diese Aufräum-Aktion auch tatsächlich übernimmt, muss sie über die entsprechenden Gene verfügen, die für das «Fressen» verantwortlich sind. Die Zellbiologen rund um Moreno konnten bei Fruchtfliegen, die diese Gene nicht haben, nachweisen, dass die Zellabfälle liegen bleiben.

Die Entstehung von Krankheiten besser verstehen

Die Existenz einer solchen zellulären «Putz-Kolonne» hat die Molekularbiologen überrascht. Bisher gingen sie eigentlich davon aus, dass es die Gewinner-Zellen sind, die im Verlauf des Kräftemessens den Verlierer aktiv umschliessen und schliesslich verdauen. Doch offensichtlich sind es die Hämozyten, die nach entschiedenem Kampf die «Zell-Leichen» der Verlierer aufnehmen und abbauen.

Die neuen Resultate zeigen gemäss Eduardo Moreno, «dass die Phagozytose eher eine Konsequenz des Absterbens der Verlierer-Zelle und nicht ein Grund dafür ist». Diese Erkenntnisse können mithelfen, das Verständnis über die Entstehung von Krankheiten wie Krebs zu vertiefen.

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