Konflikte im Wasserschloss
Der dritte Berner Wassertag lockte rund 500 Zuhörende in die Kulturhalle auf dem Roll-Areal der Uni Bern. Sie verfolgten die Ausführungen von Hansruedi Müller und anderen Tourismusexperten zum Thema «Wasser und Tourismus — eine symbiotische Beziehung?».
Beziehungen und Konfliktpotenziale zwischen der Wassernutzung und dem Tourismus – dies stand im Zentrum des Referats von Hansruedi Müller. Er ist Leiter des Forschungsinstitutes für Freizeit und Tourismus der Universität Bern (FIF). Gleich zu Beginn wies Müller auf die privilegierte Lage der Schweiz hin: Sie verfüge über genügend Wasserreserven in Form von Gletschern, Seen und Grundwasser, um den eigenen Bedarf zu decken. Als diesbezüglich komplett autarkes Land trage die Schweiz denn auch eine besondere Verantwortung für einen nachhaltigen Umgang mit dieser Ressource, so Müller am Berner Wassertag. Dieser findet jährlich anlässlich des UNO-Weltwassertages statt. Das Thema Wasser bewegt im 225. Jahr ihres Bestehens auch die Naturforschende Gesellschaft in Bern (siehe Text rechts), die ebenfalls zum Berner Wassertag geladen hatte.

Positive und negative Seiten der Wassernutzung
Müller befasste sich zunächst mit den Synergien, die zwischen Wasser und Tourismus bestehen. Wasser in allen Formen und Aggregatzuständen ist für viele Tourismus-Destinationen die Hauptattraktivität, das wichtigste Positionierungsmerkmal und eine Quelle für immer neue Inszenierungen von Erlebnissen. Ganze Wirtschaftszweige wie der Gesundheits- oder der Wintertourismus verdanken ihre Existenz dem Wasser.
Eng mit der Anziehungskraft des Wassers auf Besucher verbunden ist aber auch das kritische Potential der Touristenströme. Müller zeigte verschiedene Konfliktfelder auf: Tourismus mit all seinen Aktivitäten verbrauche enorm viel Wasser und stehe in Konkurrenz mit anderen Wassernutzern wie dem Energiesektor, der Landwirtschaft oder der Natur selber. Weiter sei die Verschmutzung besonders bei Spitzenauslastungen ein Problem, so Müller. An der Ammonium-Konzentration in den ARA-Anlagen durch Toilettengänge lasse sich sogar die Anzahl der Tagestouristen am jeweiligen Ferienort ablesen.

Trotz touristischem Grundkapital...
Die Konflikte zwischen den Nutzerinnen und Nutzern zwingen zum verantwortungsvollen Umgang mit der Ressource Wasser. Dies gelte besonders für die Alpen, die das «Wasserschloss Europas» darstellen, so Müller. «Wie oft muss man es wiederholen? Dass in einem anderen Wirtschaftszweig Kapital verloren und wieder zurück gewonnen werden kann, im Tourismus aber das Grundkapital – die Natur, die Landschaft und die Kultur – unwiederbringbar ist», zitierte der Ökonom den ehemaligen Direktor von Schweiz Tourismus, Werner Kämpfen.
...ist das Interesse klein
«Der Tourismus muss grösstes Interesse an einer koordinierten und nachhaltigen Wasserbewirtschaftung haben», sagte Müller. Dazu gehören Sparmassnahmen, Mehrfachnutzung, Abwasserreinigung, die Antizipation von Nutzungskonflikten sowie Landschafts- und Biotopschutz. Bislang sei das Interesse der Touristiker daran jedoch relativ klein, stellte Müller fest. Exemplarisch dafür sei die Zusammensetzung des Publikums – nur gerade fünf Prozent der Zuhörer stammte aus dem Tourismusbereich. Die Tourismus-Branche müsse sich aber vermehrt engagieren, denn eine nachhaltige Wasserbewirtschaftung setze eine klare Aufgabenteilung voraus, schloss Müller. Kantone, Gemeinden und Regionen müssten in ihrer diesbezüglichen Verantwortung gestärkt werden, sagte der Tourismuswissenschaftler, denn «die Natur gibt immer Kredit, aber sie vergisst nie, Rechnung zu stellen».
Naturforschende Gesellschaft in Bern
Der Berner Wassertag wurde unter anderem durch die Naturforschende Gesellschaft in Bern (NGB) unterstützt. Die NGB feiert dieses Jahr ihr 225-Jahr-Jubiläum. Unter dem Motto «Wasser bewegt» finden diverse Anlässe statt. Die NGB wurde am 18. Dezember 1786 unter der Leitung von Samuel Wyttenbach, Pfarrer an der Kirche zum Heiligen Geist in Bern, gegründet. Aus einer Zusammenkunft von naturwissenschaftlich Gleichgesinnten und Gleichinteressierten entstand die heutige Naturforschende Gesellschaft. Die NGB sieht ihre Aufgabe in der Verbreitung wissenschaftlichen Gedankengutes und neuer Erkenntnisse aus den verschiedenen Bereichen der Naturwissenschaften. Regelmässig finden Vorträge statt.