Wo der Beruf auch eine Lebenshaltung ist
Ein Leben als Bäuerin bedeutet harte Arbeit und wenig Freizeit – so die allgemeine Vorstellung. Schweizer Bergbäuerinnen, die vom Geographischen Institut zu ihrem Alltag befragt worden sind, zeichnen selber jedoch ein positiveres Bild: Sie sind ganz zufrieden mit ihrem Beruf.
Kann die tägliche Arbeit so erfüllend sein, dass kaum je das Bedürfnis entsteht, aus dem Alltag auszubrechen, alles stehen und liegen zu lassen und einfach zu verreisen? Offenbar schon – zumindest für Bäuerinnen in Schweizer Berggebieten. Dies legen Aussagen von 39 Bergbäuerinnen unterschiedlichen Alters nahe, welche in einer qualitativen Studie des Geographischen Instituts der Universität Bern zu ihrem Leben auf dem Bauernhof und der Arbeit in der Landwirtschaft befragt worden sind. «Bäuerinnen sind generell zufrieden mit ihrem Beruf. Sie schätzen insbesondere das Leben in der Natur, das Arbeiten im Familienverband und die Selbstständigkeit, die eine freie Zeiteinteilung erlaubt», fasste Elisabeth Bäschlin an der Tagung «Frauen in der Landwirtschaft» den Tenor der Interviews zusammen. Sie sprach dort vor Bäuerinnen, Forschenden, Politikern und weiteren Interessierten aus dem ganzen deutschsprachigen Raum über das Verhältnis von Bergbäuerinnen zu Freizeit und Ferien.
Sind mit ihrem strengen Alltag zufrieden: die Schweizer Bergbäuerinnen. (Bild:istock)
Oasen im Alltag schaffen
«Nach dem Heuen erhole ich mich im Garten beim Jäten.» Diese Aussage einer Befragten steht exemplarisch für die Erkenntnis, dass viele Bäuerinnen Erholung im eigenen Landwirtschaftsbetrieb finden und einzelne Arbeiten als Hobby betrachten. So kann das Umgraben des Gartens der psychischen Erholung dienen: «Es gibt mir Energie zu sehen, wie alles wächst und gedeiht», meinte beispielsweise eine Bäuerin. Handarbeiten wie Stricken oder Töpfern, gemeinschaftliche Aktivitäten im Landfrauen- oder Turnverein, aber auch sich einfach einmal ausruhen stellen für Bäuerinnen weitere Oasen im Alltag dar.
Ferien auf der Alp statt am Meer
Das urschweizerische «Heimweh» ist gemäss Bäschlins Studie einer der Gründe, weshalb es Bäuerinnen oft nicht weit in die Ferne treibt: Auf ihr Ferienbedürfnis angesprochen, gab eine Frau zu Protokoll, sie gehe gerne zu Berg und verbringe fast jedes Wochenende auf ihrem Maiensäss. «Das Meer reizt mich dagegen überhaupt nicht.» Daneben spielt aber auch der Zeitfaktor eine wichtige Rolle. So betonte eine Bäuerin, sie mache mit ihrer Familie zwar gelegentlich Campingferien, aber nur, wenn es ohne grosse Vor- oder Nacharbeiten gehe. Allerdings möchten Eltern ihren Kindern trotz des strengen Arbeitsalltags Ferien ermöglichen und ihnen damit ein gesundes Bild der Landwirtschaft vermitteln – «dass man es auch auf einem Bauernbetrieb gut haben kann».
Individualität der Freizeitbedürfnisse
Entgegen der Maxime der heutigen Freizeitindustrie gebe es kein allgemeines Bedürfnis nach Ferien, bilanzierte Elisabeth Bäschlin. Vielmehr hänge es einerseits von individuellen Faktoren wie der eigenen Lebensgeschichte, den persönlichen Interessen und Werthaltungen ab. Andererseits bestimmten aber auch strukturelle Gegebenheiten wie die Produktionsausrichtung des Hofes, die Familienzusammensetzung und die Mobilität über die Möglichkeiten, Ferien zu verbringen. Die finanziellen Bedingungen dagegen wurden von den Befragten kaum thematisiert, wie Bäschlin erstaunt feststellte. Für die Humangeographin ist nach Auswertung der diversen Äusserungen von Schweizer Bergbäuerinnen zu ihrem Freizeitverständnis klar: «Das Bäuerinnen-Dasein ist nicht einfach nur ein Beruf, es geht auch mit einer bestimmten Lebenseinstellung einher.»