Welthandel in Bern

Geht es um Informationen, wird die Welt zum Dorf. Geht es um Handel, bleiben viele Grenzen bestehen. Vor 10 Jahren wurde an der Universität Bern das World Trade Institute WTI mit der Absicht gegründet, diese Grenzen mit interdisziplinärer Ausbildung und Forschung überschreiten zu helfen. Ein Gespräch zum Jubiläum mit WTI-Professor Thomas Cottier.

Interview: Marcus Moser 29. September 2010

«uniaktuell»: Thomas Cottier - der Slogan des Word Trade Institute WTI lautet «beyond boundaries» - über Grenzen hinaus. Welche Grenzen wollen Sie überschreiten?
Thomas Cottier: Die Regulierung des Welthandels ist geprägt durch eine weitgehende Zersplitterung. Innerhalb eines Landes sind verschiedene Staatsstellen und verschiedene fachliche Disziplinen mit Teilbereichen des Themas beschäftigt. Das führt dann dazu, dass Lösungen nicht abgestimmt sind, weil Leute in den verschiedenen Dienststellen teilweise nicht miteinander reden. Wenn wir im globalisierten Welthandel zu mehr Kohärenz kommen wollen, müssen wir derartige Grenzen überwinden. Hierzu wollen wir unseren Beitrag leisten.


Prof. Thomas Cottier hat 1994 als Quereinsteiger vom Staatsdienst an die Universität Bern gewechselt. (Bild: Marcus Moser)

Das wird im Word Trade Institute selbst durch die Architektur symbolisiert. Alle Bürowände sind aus Glas.
Transparenz ist für uns wichtig. Wir sind hier in einer ehemaligen Druckerei untergebracht, die für ihre Karten berühmt war. Wir arbeiten gewissermassen auch an Karten, die den Weg durch die verschlungenen Pfade des Welthandels weisen sollen.

Das WTI wurde 1999 gegründet. Was gab den Ausschlag?
Ich bin 1994 als Quereinsteiger vom Staatsdienst an die Universität Bern gewechselt. Zuvor habe ich 10 Jahre lang die Eidgenossenschaft bei internationalen Verhandlungen vertreten. In diesem Jahr wurde auch die Welthandelsorganisation WTO gegründet, die als Dachorganisation zum Beispiel die Weiterentwicklung des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT) zum Ziel hat. Aus meiner Zeit im Staatsdienst wusste ich, dass die erfolgreiche Teilnahme an internationalen Verhandlungen zu Welthandelsfragen eine spezielle Expertise verlangt, die im akademischen Feld so nicht angeboten wurde. Jurisprudenz, Ökonomie und Internationale Beziehungen müssen in der Forschung, aber auch in der Ausbildung miteinander verknüpft werden. Das war die Nische, die wir mit dem World Trade Institute besetzen wollten.

Das WTI wurde ausserhalb der fakultären Strukturen mit universitätsexternem Geld als Stiftung gegründet. Eine kluge Entscheidung?
Ja, das hat zu unserer Akzeptanz als neues Institut viel beigetragen. Wir haben niemanden konkurrenziert und auch niemandem Geld weggenommen. Die Zusammensetzung unseres Lehrkörpers aus Professoren und aus in internationalen Organisationen tätigen Praktikern hat über die Jahre dazu geführt, dass wir weltweit in der Welthandelsszene bekannt und etabliert sind. Mittlerweile haben wir einen Leistungsauftrag mit der Universität Bern. Die Integration des WTI in deren Strukturen steigert unsere Sichtbarkeit in der Schweiz.


Transparenz als Ziel. Blick auf die Arbeitsplätze im WTI. (Bild: Alexander Jaquemet)

Das WTI führt den wohl internationalsten Masterstudiengang der Universität Bern. Im MILE-Programm stammen die rund 40 Studierenden aus über 30 Nationen. Erstaunlich: Viele davon kommen aus Entwicklungsländern.
Dank dem Staatssekretariat für Wirtschaft SECO, unserem Partner in diesem Bereich, haben wir die Möglichkeit, jedes Jahr 10 Studierenden mit Stipendien den Besuch unseres Masterprogramms zu ermöglichen. Zulassung und Stipendienvergabe sind allerdings strikt getrennt. Von den mehr als 150 Bewerbungen können wir rund 40 Studierende berücksichtigen. Die Eignung steht klar im Vordergrund.

Man kann dies als kleine Form der Entwicklungshilfe interpretieren. Der UNO-Gipfel zur Erreichung der Milleniumsziele gegen Hunger und Armut hat dagegen keine Ergebnisse gebracht. Welchen Zusammenhang sehen Sie mit Ihrem Kernthema – dem internationalen Handelsrecht?
Die UNO war enorm wichtig für die Definition der Milleniumsziele. Die prekäre Finanzlage vieler Länder schmälert allerdings nun die Bereitschaft, ausreichende Finanzmittel zur Erreichung der Ziele zur Verfügung zu stellen. Die aktuelle Welthandelspolitik berücksichtigt die ärmsten 35 Länder nicht. Es ist aber wichtig, dass die internationalen Verhandlungen über die drängenden Handelsfragen auf die Milleniumsziele ausgerichtet werden. Da konnten wir mit Arbeiten hier am Institut im Auftrag der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung UNCTAD einen Beitrag leisten.

Blicken wir nach vorne: Welche Herausforderungen warten auf das WTI?
In internationaler Perspektive führen wir strategische Zusammenarbeiten mit Universitäten in China und Indien. In diesem Jahr haben wir gemeinsam mit dem SECO begonnen, regionale Kompetenzzentren für Handelsrecht und Handelspolitik in Südafrika, Peru und Vietnam aufzubauen. Das vierjährige Projekt wird in enger Zusammenarbeit mit ausgewählten Universitäten in den drei Ländern durchgeführt. Sodann steht der von uns getragene Nationale Forschungsschwerpunkt «Trade Regulation» jetzt in der Mitte der 12-jährigen Laufzeit. Hier haben wir ein erstes Fazit gezogen, das bald in Buchform erscheinen wird. Bezogen auf die lokale Perspektive gilt es, die Integration des Instituts in die Universität Bern zu vollenden und die nationale Sichtbarkeit des WTI zu stärken.

Zunächst wird aber gefeiert: Am 1. Oktober mit der Jubiläumsveranstaltung und am 23. Oktober mit einem Tag der offenen Tür am WTI. Worauf freuen Sie sich?
An unserer Jubiläumsveranstaltung werde ich viele mir bekannte Leute aus aller Welt wieder treffen. Und am 23. Oktober hoffe ich zudem, möglichst viele mir unbekannte Leute sehen zu können: Am Tag der offenen Tür stellen die Forschenden ihre Projekte vor, Studierende aus aller Welt werden für Gespräche zugegen sein, und wir organisieren zwei Podiumsdiskussionen zu den aktuellen Themen «Handel und Migration» sowie «Schweizer Landwirtschaft im Jahr 2025» .

Das WTI an der Uni Bern

Das World Trade Institute (WTI) ist als interdisziplinäres Zentrum der Universität Bern eines der weltweit führenden akademischen Institute, das sich mit der Regulierung des internationalen Handels befasst. Es verbindet rechtliche, ökonomische und politikwissenschaftliche Aspekte der internationalen Handelsregulierung in Forschung, Lehre, Beratung und technischer Kooperation. Das WTI wurde vor zehn Jahren gegründet, um eine Lücke in der universitären Ausbildung in Zusammenhang mit der Regulierung des Welthandels zu schliessen.