Bundesrats-Wahl mit Live-Online-Debatte in der Mensa

Während die Parlamentarier wählen laufend seinen Kommentar dazu geben: Eine Polit-Plattform im Internet machts möglich. Mitentwickler und Berner Student Joël Hafner demonstriert bei der Live-Übertragung der Bundesratswahlen in der Mensa Unitobler die Möglichkeiten von «politnetz.ch».

Von Bettina Jakob 15. September 2009

Mittwochmorgen, Bundeshaus, 8 Uhr – die Wahl beginnt. Uni Bern, Mensa Unitobler zur gleichen Zeit – man ist live dabei. «Wir übertragen die Bundesratswahlen auf Grossbildschirm», sagt Politologiestudent Joël Hafner. Was an sich nichts Besonderes ist, doch Hafner verspricht noch einiges mehr: Der Mitentwickler der Internet-Plattform «politnetz.ch» will nämlich gleichzeitig die Debatte zu den Wahlen, die virtuell auf «politnetz.ch» geführt wird, auf eine Leinwand beamen. «Diese Gleichzeitigkeit eines Politevents und der laufenden Debatte darüber ist einmalig», sagt Hafner. «Und alle, die etwas zu sagen haben, sind eingeladen, an der Online-Diskussion in Echtzeit teilzunehmen.» Wer also am Mittwochmorgen ab 8 Uhr einen Beitrag schreiben oder einen Kommentar platzieren will, der registriert sich auf «politnetz.ch» und debattiert – sei es von zu Hause aus oder auf dem mitgebrachten Laptop mit WLAN gleich vor Ort in der Mensa.


Das Parlament wählt, die Userinnen von «politnetz.ch» kommentieren laufend das Geschehen. (Bild: parlament.ch)

Alle sollen sich aktiv beteiligen

Das fünfköpfige Team von «politnetz.ch» nutzt den aktuellen Anlass, um auf ihre Plattform aufmerksam zu machen, die seit Ende Juli online ist. Die Grundidee war, «Leute zusammenzubringen, die an politischen Prozessen in der Schweiz interessiert sind», erklärt Joël Hafner, «damit sie orts- und zeitunabhängig miteinander kommunizieren können». Öffentliche Debatten würden normalerweise «leider» in einer Richtung verlaufen: Von Politikern über die Medien zu den Bürgerinnen. Dabei sei es gerade in einer direkten Demokratie wichtig, dass die Bürgerinnen und Bürger aktiv am Politgeschehen teilnehmen würden, schreibt das Team in seinem Flyer zum Projekt.

Beiträge bewerten

Die Macher der Polit-Plattform aus Bern und Zürich haben sich folgende Tools ausgedacht, um ihre Mitglieder aktiv und auf eine übersichtliche Weise in die Debatten einzubinden: Wie in Foren können sie eigene Beiträge schreiben, andere wie in Blogs kommentieren und – was das «politnetz.ch» als Neuheit anbietet – die Beiträge durch einen Mausklick bewerten. Das funktioniert so: Herr Schweizer hat folgendes geschrieben – «Die Wehrplicht gehört abgeschafft!». Klickt man auf diese Meinung, werden vier Beiträge von anderen Usern angezeigt. Vor den Beiträgen steht eine Zahl, die signalisiert, wie viele Leserinnen und Leser den einzelnen Beiträgen zustimmen. «Durch diese Bewertung erhält man einen schnellen Überblick, welche Meinungen auf Befürwortung stossen», erklärt Joël Hafner Ziel und Zweck des Bewertungssystems, das «einmalig ist unter den Internet-Plattformen zur Schweizer Politik».

Später sind Kampagnen geplant

Zurzeit suchen die rund 500 Mitglieder von «politnetz.ch» noch virtuell nach Lösungen für politische Probleme – selbstverständlich auf der Grundlage einer klar definierten Diskussionskultur, wie Hafner sagt, die keine Beleidigungen, diskriminierenden, sexistischen, politisch extremistischen oder rassistischen Äusserungen duldet. Doch gemäss Hafner soll dem Cyber-Polit-Netz später auch Handfestes entspringen: «In einem nächsten Schritt wollen wir uns relevant in die Politik einbringen, etwa mit Kampagnen.»