Katzen im Kosmetik-Kosmos

Im Haus der Universität sprach der Fotograf Raphael Hefti mit Thomas Schönberger vom Institut für Kunstgeschichte über seine Porträtserie von Kosmetikverkäuferinnen. Heftis Ausführungen markierten den Auftakt zu einer Reihe von Künstlergesprächen.

Von Helen Lagger 25. Mai 2009

Zwei Porträts von stark geschminkten Frauen, die weder besonders glamourös noch besonders jung sind, hängen über dem Kamin im Haus der Universität. Um Models handelt es sich nicht. Könnten es die Stifterinnen der schönen Villa an der Schlösslistrasse sein? Wohl kaum. Was verleiht ihnen also die Ehre, so prominent und grossformatig die Wände des Kaminzimmers, wo man eher eine Landschaft in Öl erwarten würde, zu schmücken? Die Antwort ist einfach: Es sind Kunstwerke. Bei den Porträtierten handelt es sich um ganz gewöhnliche Kosmetikverkäuferinnen, in ihrem Arbeitsumfeld fotografiert von Raphael Hefti.

Maskerade in der Kosmetik: Durch Make-up wirken die Verkäuferinnen alle gleich alt. (Bilder: Raphael Hefti/zvg)

Die Hängung von nur zwei Fotos aus einer Serie von sieben – ausgeliehen von der kantonalen Kunstsammlung – erwies sich als gewagt. «Die Serie lässt sich nicht mehr als solche erkennen, gewisse Betrachter fühlten sich durch die ungewöhnlichen Porträts irritiert», erklärte Thomas Schönberger vom Institut für Kunstgeschichte. Er hat die Ausstellung kuratiert und das erste Künstlergespräch im Haus der Universität geführt.

Make-up als Maskerade

Gerade die Tatsache, dass die beiden Kosmetikverkäuferinnen wie Ikonen über dem Altar ähnlichen Kamin hängen, wirkt spannend. Übersehen kann man die Porträts, die nicht richtig in diesen Raum passen wollen, jedenfalls nicht. Raphael Heftis Arbeit schmeichelt den Porträtierten nicht unbedingt. Er setzt das Licht so ein, dass die Frauen einen Katzenblick erhalten, der ihre unnatürliche Aufmachung noch unterstreicht. Bei näherer Betrachtung wird ihr sorgfältig aufgetragenes Make-up als Maskerade entlarvt. Man erkennt, dass die Lippen durch die Konturierung vergrössert wurden, die perfekten Augenbrauen gefärbt sind. Im Dialog mit Thomas Schönberger erzählte Hefti, wie die Serie 2005 als Diplomarbeit an der Kunsthochschule in Lausanne entstand.

«Mehr als die Modefotografie fasziniert mich das Arbeitsumfeld von gewöhnlichen Menschen. Der Kosmos der Kosmetikerinnen war mir gänzlich fremd und das zog mich an», so Hefti. Doch bis er erste Blitzlichtaufnahmen machen durfte, musste er das Vertrauen der Damen gewinnen, die er in grossen Geschäften mit Kosmetikabteilung überall in der Schweiz fand. Schliesslich gelang ihm dies. Er wurde sogar an Parfum-Gartenpartys der Verkäuferinnen, die in der Romandie den eleganteren Namen «Esthéticiennes» tragen, eingeladen und bekam so einen tieferen Einblick in ihre bunte Markenwelt.

Frisch geschminkt vor die Kamera: Foto-Shooting am frühen Morgen.

Trau keiner über dreissig

Das Serielle der entstandenen Aufnahmen wird durch den immer gleichen Ausschnitt der Fotos und ähnliche Lichtverhältnisse bewirkt. Hefti fotografierte am Morgen, wenn der Laden gerade öffnete und die Kosmetik-Fachfrauen – die immer auch ihre jeweiligen Marken stark vertreten – frisch geschminkt waren. Die jüngste Porträtierte ist 19 Jahre alt, die älteste 61. Es ist das Make-up , das die Damen vereinheitlicht und alle so um die dreissig Jahre alt wirken lässt, wie Hefti feststellte. Er erinnerte sich, dass ihm die Frauen manchmal fast wie im Schlaraffenland vorkamen: In ihrem Make-up-Kosmos, aus dem sie sich frei bedienen dürfen, solange sie ihrer jeweiligen Marke treu bleiben.

Subtil schwingt in Heftis Serie auch Gesellschaftskritik mit. Die Verkäuferinnen nehmen zwar Teil an der vorgegaukelten Glamourwelt, befinden sich aber, was Entlöhnung und Prestige angeht, auf einer eher tiefen Stufe. Die Fotografien wirken zwar entlarvend, doch nicht zu Ungunsten der Frauen: Sie strahlen, in ihrem Kosmos fotografiert, jede Menge Stärke aus.