Auf Talent-Suche an der Uni Bern

Viele Firmen setzen viel Zeit und Geld für die Förderung von Talenten ein, die sie an der Uni abholen. Adrian Ritz, Co-Leiter des Kompetenzzentrums für Public Management, erklärt im Vorfeld einer Fachtagung, warum ein Unternehmen nicht nur gestandene Profis braucht, sondern auch Nachwuchskräfte.

Von Bettina Jakob 20. August 2009

Uniaktuell: «Wir brauchen Talente.» Mit diesen Worten fordert
 Bundesrätin Doris Leuthard im Vorwort zur Tagung über Talentmanagement
 die Wirtschaft zur Suche auf. Sind nicht alle Hochschulabgängerinnen talentiert?
Adrian Ritz: Sagen wir es so: Uni-Abgängerinnen und -Abgänger sind 
prädestiniert, talentiert zu sein. Doch es braucht mehr als
 die Qualifikation eines Studiums – ebenso wichtig sind
 Persönlichkeitsmerkmale.

Als da wären?
Das Potenzial einer Person, erweiterte Verantwortung tragen zu können, ist wichtig. Dazu gehört ausgeprägte Kommunikations- und Sozialkompetenz, ein grosses Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, stetige Lernbereitschaft und ein 
gesunder Aufstiegswille. Über all dem steht: Talent ist nichts, wenn 
man es nicht entfalten kann.

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Talentmanagement: Die Suche nach begabtem, passendem Nachwuchs für die Firma. Bild: istock

Und wie erkennen die Firmen und Unternehmen das Potenzial einer Person?
Viele Grossfirmen pflegen in so genannten «Talent-Relationships» intensiv Kontakte zu
 möglichen Bewerberinnen und Bewerbern, welche sie etwa auf
 Hochschulmessen treffen. Der potenzielle Nachwuchs wird oft über Jahre 
gehegt und gepflegt. Intern werden Talente etwa anhand ihrer Leistungsbeurteilung oder Potenzial-Einschätzung ausgewählt, um anschliessend in Trainee-Programmen gefördert zu werden.

Wie sieht ein solches Trainee-Programm aus?
Allgemeine Trainee-Programme bieten den Talenten in mehreren Monaten Einblicke in verschiedene Unternehmensbereiche, sehen Schulungsblöcke vor und je nachdem auch Auslandeinsätze wie etwa bei ABB. Fach-Trainees werden in Fachbereichen eingesetzt, um sich möglichst rasch Spezialistenwissen anzueignen; die Besten 
erhalten zum Teil Aussicht auf eine feste Kaderposition. Die Firma Schindler zum
 Beispiel führt gar ein 6-Jahre-Programm mit garantierter Anstellung nach erfolgreichem Bestehen.

Welche Firmen in der Schweiz setzen auf die Talentförderung?
Gezielte Programme existieren vor allem in Grossunternehmen mit über 1000 Mitarbeitenden – etwa
 Swisscom, Versicherungen, Chemie-Konzerne, Finanzdienstleister. Aber auch Jura Elektroapparate mit 600 Mitarbeitenden hat den Wert solcher Förderungsprogramme erkannt.

Die Suche verschlingt Zeit und Mittel – warum stellen die Firmen nicht einfach Profis aus dem Arbeitsmarkt an?
Das wird auch gemacht – hochqualifiziertes Personal wird oftmals abgeworben. Gleichzeitig ist es für die Firmen wichtig, eigene Leute heranzuziehen, um die ungemein wichtige Identifikation mit der Firma zu erwirken.

Was empfehlen sie den Unternehmen in der jetzigen Krise: Weiterhin 
Talente suchen oder vermehrt auf ausgewiesene Fachkräfte setzen?
Krisen verursachen Unsicherheit und vielmals verlassen gute Leute die
 Firma. Umso wichtiger ist die Talentsuche und -förderung
 als Bestandteil einer nachhaltigen, langfristigen Personalpolitik. Kurzfristige Sparmassnahmen
 führen oft dazu, dass Talente verloren gehen.

Talentförderung zielt vor allem auf Wirtschaftswissenschafter ab,
 einige Trainee-Programme gibt es noch in den Naturwissenschaften und
 für Ingenieure. Warum keine für phil. hist. Absolvierende?
Mit der
 Führungs-Nachwuchsförderung werden gezielt diejenigen Gruppen angesprochen, die sich für Führungsaufgaben ausbilden lassen. Gleichzeitig werden immer auch «nicht typische» Talente aufgenommen - auch für ambitionierte phil. hist. Absolventen gibt es Platz in allgemeinen Trainee-Programmen. Aber es gibt
 durchaus in anderen Bereichen Nachholbedarf, Talente zu
 fördern – etwa in der öffentlichen Verwaltung. Der Kanton Bern zeigt sich in
 dieser Hinsicht als Pionier: Ein Talent-Pool soll zukünftig gute Mitarbeitende 
fördern.