Berner Studis vor internationalem Gericht
Üben für die Karriere: Sechs Berner Jus-Studentinnen und -Studenten nahmen am grössten Wettbewerb in internationalem Wirtschaftsrecht in Wien teil. Und mischten gleich vorne mit. «Ein Bombenerfolg», sagt Rechtsprofessor Thomas Koller.
Es scheint ein Schnäppchen zu sein: Eine Supermarktkette kauft bei einer Weingenossenschaft in einem anderen Land Wein im Wert von 1,3 Millionen Franken zu einem Promotions-Preis. Doch dann, während des Vertragsabschlusses, tauchen Gerüchte auf, der edle Tropfen enthalte Frostschutzmittel – und tatsächlich wird die toxische Substanz nachgewiesen, jedoch nicht in einer gesundheitlich relevanten Dosis. Dennoch will der Supermarkt den Wein nicht mehr kaufen. Den Juristen stellen sich nun tausend Fragen rund um die Gültigkeit der Verträge. Über diesen Fall zerbrachen sich kürzlich Jus-Studierende aus aller Welt den Kopf – so auch sechs Berner Studis. Diese fiktive Geschichte war nämlich Ausgangslage am weltweit grössten Wettbewerb im internationalen Wirtschaftsrecht, am «Vienna Moot Court», an welchem das Berner Team einen «Bombenerfolg» erzielte, wie Thomas Koller, Team-Betreuer und Professor am Departement für Privatrecht erklärt.

Fingierte Klageschriften
Rund ein halbes Jahr vor dem Wettbewerb werden den Teilnehmenden die Materialien zu einem erfundenen Streitfall ausgegeben. Diese bestehen aus dem Briefwechsel der Parteien mit dem fingierten Schiedsgericht und den vorgelegten Beweisstücken. Gestützt auf diese Unterlagen ist eine Klageschrift zu erstellen und einzureichen. Diese «Memoranda for Claimant» werden dann an andere Teams verteilt, die darauf aufbauend eine Klageantwort («Memorandum for Respondent») verfassen müssen.
Im Anschluss an den Schriftenwechsel treffen sich die vier bis sechsköpfigen Teams – viele davon aus dem englischen Sprachraum – zum mündlichen Wettbewerb in Wien. Jedes Team trägt seine Argumente vor einem dreiköpfigen Schiedsgericht vor und tritt dabei zweimal als Klägerin und zweimal als Beklagte auf. Als Schiedsrichter beteiligen sich Richter, Professorinnen und Anwälte aus aller Welt, die zum grossen Teil beruflich in echten Schiedsgerichtsverfahren mitwirken. Die «Amtssprache» sowohl für die Schriftsätze als auch für die mündlichen Verhandlungen ist Englisch.

Sinnvoll für die Karriere-Planung
Thomas Koller erachtet diese simulierten Verhandlungen, welche die «Pace Law School» aus New York seit 15 Jahren organisiert, als äusserst sinnvoll: für die praxisorientierte Ausbildung und Karriereplanung und für den kulturellen Austausch. Die Master-Studierenden lernen das Herausschälen von überzeugenden Argumenten. Zudem können sie sprachliche Präzision trainieren, muss doch im Vorfeld des mehrtägigen Anlasses sowohl eine Klageschrift wie eine Klageantwort verfasst werden. Im sogenannten Wiener «Juridicum» schliesslich tragen die Teams ihre Argumente vor – wiederum sowohl als Anwältinnen für die Klägerin als auch als Anwälte für die Beklagte. Die Plädoyers werden in Englisch gehalten.
Beste Gelegenheit also, so Koller, sich für spätere internationale Wirtschaftsrechtsfälle die englischen Ausrücke anzueignen. Der Auftritt findet vor nicht weniger als 280 Richtern, Professorinnen und Anwälten aus aller Welt statt. Koller wirbt für die Teilnahme: «Ein wichtiger Anlass.» Und wenn schliesslich rund 2000 Teilnehmende aus aller Welt gespannt den Final in der Wiener Messehalle verfolgen, dann nimmt das Berner Jus-Studium eine ganz neue Dimension an.