Berge bergen Leid

Die Bergbevölkerung leidet in vielen Regionen der Welt Hunger. Das harte Klima, das unzugängliche Gelände sowie die politische und soziale Randlage sind dafür verantwortlich. Am internationalen Tag der Berge stand die Bergbevölkerung im Zentrum und Experten referierten an der Universität Bern darüber.

Von Nathalie Neuhaus 16. Dezember 2008

Lebensmittelknappheit und Mangelernährung sind in den Gesellschaften der Berge weit verbreitet und werden durch explodierende Nahrungsmittelpreise und Transportkosten noch verstärkt. Die grundlegende Bedeutung des Wassers in den Gebirgen, die Nahrungsmittelkrise und mögliche Lösungsvorschläge thematisierten drei Experten am 11. Dezember 2008, dem internationalen Tag der Berge, während des «Mountain Research Initiative (MRI) Talks» in der UniS. Einig waren sich die Experten darüber, dass ein rasches Handeln notwendig ist.
 

Berglandschaft
Atemberaubende Berglandschaft: Blick von Kagbeni, Mustang District, südwärts Richtung Annapurna. Bild: Astrid Björnsen Gurung, 1996

Gebirge und Wasser sichern Leben

«Das Gebirge ist ein wichtiges Ökosystem, welches für das Überleben des Globus grundlegend ist», erklärte Rolf Weingartner vom Geographischen Institut der Uni Bern. «Das Gebirge ist aber auch ein anfälliges System, welches von schnellen Klimaveränderungen betroffen ist», sagte der Hydrologe und Präsident des MRI. Daher sei schnelles Handeln notwendig. «90 Prozent der Gebirgsbevölkerung leben in den Ländern des Südens, davon sind Dreiviertel vom Hunger bedroht», erläuterte Weingartner; insgesamt lebt jeder 10. Mensch auf dieser Erde im Gebirge. Für Nahrung und Leben ist Wasser grundlegend. «Für die Herstellung eines Kilo Fleisches werden 15'000 Liter Wasser benötigt, für ein Kilo Weizen nur 1500 Liter», sagt Weingartner. Die Ernährungsart spielt daher eine wichtige Rolle für den jeweiligen Wasserverbrauch.

Der Hydrologe spricht von zwei Quellen des Wassers, einer blauen und einer grünen. Das blaue Wasser steht für die Fliessgewässer, welches 20 Prozent des für die Nahrungsproduktion nötige Wasser ausmacht. Die anderen 80 Prozent stellt das grüne Wasser dar, welches im Boden gespeichert ist. Weingartner betont die Wichtigkeit der Gebirge für die Produktion von blauem Wasser: «Die Alpen haben eine Wasserschlossfunktion – Schnee und Eis, die im Sommer schmelzen, bewässern die Vorländer.» Die Nahrungssituation und das Bevölkerungswachstum sind laut Weingartner demnach stark mit dem Wasser der Gebirge verbunden.
 

Nepalesische Frauen bei der Ernte
Frauen bei der Ernte in Upper Mustang, Nepal. Bild: Prem Gurung, 1996

Berg- und Talfahrt der Nahrungsmittelpreise

«Die massive Preissteigerung für Weizen und Getreide, in den beiden letzten Jahren gefährdet die weltweite Nahrungsmittelsicherheit», erklärte Frank Hartwich von der Schweizerischen Hochschule für Landwirtschaft in Zollikofen. Grosse Nachfrage und kleines Angebot seien Gründe für die hohen Nahrungsmittelpreise. Besonders davon betroffen sind die Entwicklungsländer. «Schlimm ist, dass in den Ländern des Südens alle Kornkammern und Lager geleert wurden und kaum mehr Nahrungsmittel vorhanden sind», betonte Hartwich. In den Entwicklungsländern seien daher Wachstum und Stabilität der Ökonomie in Gefahr. Soforthilfe zur Bekämpfung der Armut und des Hungers, beispielsweise durch die Wiederauffüllung der Nahrungsmittelreserven, wäre jedoch eine kurzfristige Lösung. «Längerfristig hilft die Verbreitung von Wissen und Techniken für Kleinbauern in den Entwicklungsländern», sagte Hartwich abschliessend.

Weideland dominiert in den Bergen

«Wichtig ist aber in Sachen Nahrungsmittel nicht nur die quantitative Seite, sondern auch die qualitative», betonte Thomas Kohler vom Centre for Development and Environment (CDE) der Universität Bern. Der Mangel an Spurenelementen in der Nahrung nehme in der Höhe zu, beispielsweise herrsche bei der Bergbevölkerung ein ausgeprägter Vitamin A-, Jod- und Eisenmangel. Zudem bietet das Gebirge laut Kohler nur einen begrenzten Raum für Landwirtschaft – mitbeeinflusst durch das Klima, die limitierte Bodenfruchtbarkeit und Naturgefahren. «Der Pflanzenbau im Gebirge macht nur drei Prozent der Weltagrarfläche aus, das Weideland dafür etwa fünfzig Prozent der globalen Weidefläche», erklärte Kohler; 70 Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Flächen in Gebirgsräumen sind Weiden. Die hohe Bevölkerungsdichte bezogen auf die landwirtschaftlich nutzbare Fläche lässt den Druck auf die Nutzung marginaler Flächen steigen.

Rettungsplan für die Berg-Landwirtschaft

«Farm-Management» kann eine Lösung sein, sagte Kohler. Und sie funktioniert so: Die Bodenfruchtbarkeit soll gezielt genutzt und gebirgsspezifische Produkte angebaut werden. Wichtig sei es, Marktnischen zu nutzen. Kohler warnte aber: «Im Gebirge sollte immer ein fairer Tausch zwischen zwei Parteien stattfinden», sagt Kohler. Wichtig sei es, zum Beispiel den lokalen Tourismus zu nutzen, etwa durch Treckingangebote auf den Mount Everest. «Dabei werden aber nur Effekte erzielt, wenn der Gebirgstourismus in lokalen Händen bleibt», betont Kohler.

Zusätzliche Informationen

Schutz durch nachhaltige Entwicklung


nan. Das internationale Jahr der Berge hat den Schutz der Bergregionen durch die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung in diesen Gebieten zum Ziel. Dauerhafte Massnahmen zum Schutz der Umwelt und zur Förderung des Friedens in umkämpften Bergregionen gehören dazu.
 Das kulturelle Erbe in den Bergregionen soll gefördert und bewahrt werden. Auf globaler, regionaler, nationaler und lokaler Ebene sollen Ergebnisse erbracht werden.