Katzen würden kurzhaar tragen

Die Haarlänge bei der Katze ist genetisch festgelegt. Berner Forscher haben jetzt das betreffende Gen beschrieben. Darüber freuen sich die Züchterinnen und Züchter: Bald kann wohl mittels Gentest eruiert werden, ob eine Katze kuschlige Langhaar-Junge haben wird.

Von Bettina Jakob 22. Juni 2007

Edel und flauschig sind die langen Haare einer Perserkatze – einer genetischen Mutation sei Dank. Die Haarpracht, für welche Katzenliebhaber viel Geld ausgeben, spriesst nämlich nur, weil dem Tier eigentlich etwas fehlt: der sogenannte «Fibroblasten-Wachstumsfaktor 5». Aufgrund einer natürlichen Mutation im Gen namens FGF5 können langhaarige Katzen diesen hormonähnlichen Stoff, der den natürlichen Haarzyklus reguliert, nicht herstellen – und die Haare wachsen und wachsen und wachsen. Eine Arbeitsgruppe um den Berner Genetiker Tosso Leeb von der Vetsuisse Fakultät hat nun das Gen lokalisiert und die Mutation beschrieben, welche für die Haarlänge der Katzen verantwortlich ist. Die Arbeit ist in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift «Animal Genetics» publiziert.


Augenweide für Katzenliebhaber: Eine langhaarige Perserkatze. (Bild:istock.com)

Ein bisschen Mendelsche Genetik

Die haarige Geschichte basiert sowohl bei Katzen als auch bei Hunden und Mäusen auf den Vererbungsgesetzen, die einst Gregor Mendel beschrieben hat: Jedes Gen im Säugertiergenom hat zwei Kopien, deren Varianten (Allele) aber nicht gleich stark wirken müssen; ein rezessives Allel wird vom dominanten Allel unterdrückt und dessen Eigenschaften kommen zum Tragen. «Kurze Haare sind dominant über die langen», sagt Tosso Leeb. Folglich gibt es nur Katzennachwuchs mit langen Haaren, wenn das junge Büsi je ein rezessives Allel von Mutter und Vater bekommt und damit reinerbig ist. Wenn es zwei unterschiedliche, also ein rezessives und ein dominantes Allel in seinen Anlagen trägt, ist es mischerbig, und die Kurzhaar-Information wird sich durchsetzen. «Unsere Resultate werden vor allem Züchterinnen und Züchter freuen – denn mit einem spezifischen Gentest für das FGF5 Gen erfahren sie, welche Allele ihre Tiere in sich tragen», erklärt Genetiker Leeb. Bisher klärt erst die Haarlänge der Nachkommen einer Katze darüber auf.

Kurze Haare sind praktischer

Das Haarwachstum ist natürlich begrenzt und das scheint evolutionsbiologisch auch sinnvoll: Für viele Wildtiere ist es überlebenswichtig, ihr Fell möglichst schnell äusseren Umständen anzupassen, sei es mit einer saisonalen Verfärbung wie beim Wiesel oder schlicht mit einer dichteren Behaarung für den kalten Winter. Bei diesem Fellwechsel spielt dann der «Fibroblasten-Wachstumsfaktor 5» eine wichtige Rolle, er induziert am Ende der Wachstumsphase des Haares, welche beim Mensch übrigens mehrere Jahre dauern kann, die Ruhephase, in welcher sich die Haarwurzel zurückbildet. In der letzten Phase des Zyklus löst sich schliesslich der Haarschaft und das Haar fällt aus. Ist das FGF5 Gen mutiert, bleibt das Haar länger in der Wachstumsphase. Was schliesslich auch bei langhaarigen Katzen die Haarlänge beschränkt, können die Forschenden bisweilen nicht genau erklären. «Auf diesem Gebiet wird weltweit intensiv geforscht, diese Vorgänge interessieren ganz besonders in der Humanmedizin», so Tosso Leeb. Denn Erkenntnisse über die Haarzyklus-Regulation lieferten möglicherweise Grundlage für die Entwicklung von Haarwuchsmitteln.


Pipette und Computer – das sind die Hauptarbeitsinstrumente des Genetikers Tosso Leeb.  (Bild:zvg)

Die Jagd nach den Genen

Um die Funktion eines Gens zu verstehen, muss man dieses erst finden. So machten sich die Genetiker von Vetsuisse auf die Jagd nach dem FGF5 Gen. Nicht ganz einfach bei den drei Milliarden Basenpaaren eines Säugetier-Genoms, welche die genetische Informationen beinhalten und für Proteine kodieren. «Die Abfolge aller Basenpaare in einer 12-Punkt Schrift doppelseitig auf Papier gedruckt, würde einen Stapel von 50 Meter Höhe ergeben», so Leeb.

Glücklicherweise ist die Suche nach den Genen in den letzten Jahren leichter geworden – dank internationaler Genomsequenzierungsprojekte, welche DNA-Abschnitte von rund 800 Basenpaaren Länge entschlüsseln und in öffentlich zugänglichen Datenbanken deponieren, wie der Berner Genetiker erklärt. Die Funktion vieler dieser DNA-Sequenzen ist noch nicht geklärt, und längst nicht alle beinhalten Informationen, die auch tatsächlich Proteine kodieren. Aber als Rohmaterial erleichtern sie dem Genetiker die Suche nach der Nadel im Heuhaufen: In den vorliegenden Untersuchungen wurde das bekannte Gen für die Haarlänge des Hundes als Ausgangspunkt genommen und mit Hilfe von leistungsfähigen Computern die Datenbank der Katzen-Sequenzen nach ähnlichen Abschnitten abgesucht.


Resultate der DNS-Sequenzanalyse: Das gleiche Gen weist bei rein- und mischerbigen Tiere eine andere Basenpaarabfolge (Buchstaben) auf. (Bild:zvg)

Das Puzzlespiel beginnt

Einmal gefunden, haben die Genetiker wie beim Puzzlespiel 50 der 800 Basenpaare langen Abschnitte aneinander gereiht, und damit eine Referenzsequenz des FGF5 Gens der Katze erhalten. Im nächsten Schritt gingen Blutproben von 55 kurzhaarigen und 25 langhaarigen Katzen in die Analyse: Aus den Blutproben wurde die DNA isoliert und die Abschnitte mit dem FGF5 Gen sequenziert. «Der Vergleich der Basenabfolgen brachte schliesslich mehrere natürlich existierende Gen-Varianten ans Licht», erklärt Tosso Leeb. Doch nicht jedes der entdeckten Allele bietet Grundlage für die Synthese eines intakten Hormons: «Bei bestimmten Mutationen kann kein biochemisch aktiver Fibroblasten-Wachstumsfaktor 5 mehr gebildet werden», so der Genetiker: Es resultieren lange Haare – das Geheimnis um die Haarpracht der Perserkatze ist gelöst.

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