Vom Stern, der vielleicht keiner war

War es ein Komet, eine Supernova oder einfach ein ikonographisches Symbol? Bis heute ist nicht geklärt, was vor 2000 Jahren als Stern von Bethlehem leuchtete. Die Astronomie und die Bibelwissenschaft liefern Hypothesen.

Von Bettina Jakob 21. Dezember 2006

Alle Jahre wieder leuchtet er helle aus dem Weihnachtsbuch. Jedes Kind weiss, dass die drei Weisen aus dem Morgenland das Christkind in der Krippe nur deshalb fanden, weil ihnen der Stern von Bethlehem den Weg wies. Matthäus schreibt in seinem Evangelium in Kapitel 2, Vers 9: «Und siehe, der Stern ging vor ihnen her, bis er über dem Ort stand, wo das Kindlein war.» In der Weihnachtsgeschichte des Evangelisten Lukas allerdings taucht kein leuchtender Himmelskörper auf. Trotz gründlicher Datenanalysen – sowohl in der Astronomie wie in den Bibelwissenschaften – ist bis heute unklar geblieben, ob zum Zeitpunkt von Christi Geburt tatsächlich eine helle Erscheinung am Himmel prangte, oder ob der geschweifte Stern mehr Legende denn historischer Fakt ist.


Was leuchtete vor 2000 Jahren am palästinensischen Himmel? (Bild:istock.com)

Die Astronomen können sich drei Ursachen für ein Lichtphänomen am babylonischen Himmel vorstellen, unter welchem die drei Weisen Kaspar, Melchior und Balthasar vor über 2000 Jahren Richtung Palästina aufgebrochen waren. Ein Komet kommt  der landläufigen Vorstellung eines beschweiften Sterns als Ankündigung des christlichen Erlösers am nächsten – man erinnere sich an die Bilder Hale Bopps, der 1997 über unseren Nachthimmel zog. «Doch verlässliche Daten oder Dokumente, die auf eine Kometen-Erscheinung zu dieser Zeit rückschliessen lassen, gibt es kaum», sagt Andreas Verdun vom Astronomischen Institut der Universität Bern. Eine Ausnahme bildet der Komet Halley, dessen Umlaufperiode bekannt ist und der von den Chinesen 11 v. Chr. beobachtet wurde. Ob Halley tatsächlich der Stern von Bethlehem war, ist unklar: Bisher kann nämlich der Geburtstag Jesu nicht auf das Jahr genau datiert werden.

Supernova: Schwierig zu beweisen

Ähnlich verhält es sich mit der Theorie einer Supernova als Stern zu Bethlehem: «Eine Sternexplosion könnte tatsächlich ein sehr helles Licht am Himmel erzeugt haben», so Verdun. Sie müsste jedoch in der Nähe unserer Sonne oder zumindest in der Milchstrasse stattgefunden haben, um sie auf der Erde von blossem Auge zu erkennen. «Ein sehr seltenens Ereignis», sagt der Berner Astronom. Ausserdem wäre spätestens nach einigen Wochen das Licht schon wieder verschwunden gewesen – ob da genug Zeit geblieben wäre, den drei Weisen den weiten Weg zu weisen? Mittels Boden- oder Satelliten-Teleskopen wäre diese Hypothese leicht zu überprüfen: Mit dem gezielten Blick tief ins All könnten Überreste der Radiostrahlung, die bei einer Sternexplosion entsteht, registriert werden. Aufgrund genauer Überlieferungen und Zeichnungen des deutschen Astronomen Johannes Kepler war es zum Beispiel möglich, die letzte Supernova in unserer Galaxie von 1604 beschrieben. «Aber ohne präzise Koordinaten das All nach einer Supernova abzuscannen, ist wie eine Nadel im Heuhaufen zu suchen», so Verdun.

Jupiter und Saturn: Mögliche Planetenkostellation

Die letzte astronomische Erklärung ist die wahrscheinlichste: Eine seltene Planetenkonstellation könnte einen grossen Stern simuliert haben, die sogenannte dreifache grosse Konjunktion zwischen Saturn und Jupiter. «Aufgrund der Himmelsmechanik lassen sich die Positionen der Planeten unseres Sonnensystems zurückrechnen», so Verdun. Tatsächlich kamen sich die beiden Riesenplaneten im Jahr 7 v. Chr. auf ihren Umlaufbahnen innerhalb eines Jahres dreimal so nahe, dass sie womöglich dem iridischen Beobachter als einzelner Stern erschienen», erklärt der Berner Astronom; das letzte Treffen der beiden Planeten war 1981, das nächste wird im Jahr 2239 sein. Ob aber Saturn und Jupiter zusammen zum Stern von Bethlehem wurden, bleibt wiederum wegen der Ungenauigkeit des Geburtsdatums Christi im Dunkeln.

Bibelwissenschaft: Eher Symbolik?

Vielleicht war der Stern von Bethlehem aber gar kein realer Himmelskörper – sondern vielmehr ein symbolisches Bild, welches Matthäus in seinen Schriften verwendet. «Auf Münzen der Seleukiden und der Ptolemäer steht im 2. und im 1. Jahrhundert v. Chr. über dem Kopf des jeweiligen Herrschers häufig ein göttlicher Stern», so Silvia Schroer, Professorin am Institut für Bibelwissenschaft an der Uni Bern. Auch die römischen Kaiser Cäsar und Augustus liessen ihre Büsten mit einem Stern schmücken, bei den Griechen war Alexander der Grosse der Erste, der sich das Symbol übers Haupt setzte.

 


Antiochus IV., Epiphanes, König aus der Dynastie der Seleukiden (links) und die beiden Dioskuren mit Sternen über den Häuptern. (Bilder:zvg)

Bevor aber der Stern Attribut menschlicher Herrscher wurde, war er in der Götterwelt aufgetreten: Über Bildern der Dioskuren, den Söhnen des Zeus, prangt schon im 5. Jahrhundert v. Chr. oftmals ein Stern. Max Küchler vom Biblischen Institut Fribourg fasst diese ikonographischen Zusammenhänge in einer Publikation wie folgt zusammen: «Die Bildkonstellation ‹Stern über einem Menschen› trug weit über jüdische Messiasvorstellungen hinaus eine Symbolik in sich, die im ganzen griechisch-römischen Raum eine hohe Selbstevidenz aufwies.» Und zwar unabhängig, ob in Palästina tatsächlich eine Himmelserscheinung sichtbar war oder nicht.

Vor diesem Hintergrund betrachtet, erstaunt es nicht, dass Herodes der Grosse, König der Juden zu Zeiten von Christi Geburt, erschüttert wurde, als ihm von einem Kind unter einem leuchtenden Stern berichtet ward – Herodes hatte seine eigenen Münzen mit Sternen verziert.

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