Das dunkle Rätsel des Universums

96 Prozent der Masse des Weltalls sind unbekannt. Was verbirgt sich im Universum? Forschende versuchen, dieses Geheimnis zu lüften – auch an der Universität Bern.

Von Salomé Zimmermann 09. November 2006

Das Universum – sein Ursprung und seine Beschaffenheit – birgt viele Rätsel und fordert die Astrophysiker und Astronomen heraus. Die brennendsten Fragen kreisen um die geheimnisvolle, sogenannte dunkle Materie und dunkle Energie, die 96 Prozent der Masse beziehungsweise Energie des Universums ausmachen. Die Bezeichnung «dunkel» kommt daher, weil diese Masse kein Licht aussendet, deshalb nicht sichtbar und bis jetzt nicht genau messbar ist. Der Physiker Klaus Pretzl, der bis 2006 das Laboratorium für Hochenergiephysik (LHEP) an der Universität Bern leitete, beschäftigt sich seit langem mit dem rätselhaften Phänomen der dunklen Materie und versucht, Licht ins Dunkel zu bringen.     

Das Universum als Puzzle mit fehlenden Teilen
Noch fehlen viele Puzzleteile zum Verständnis des Universums. Bild: Zvg

Dunkle Materie bestimmt Universumsstruktur

Woher wissen die Wissenschaftler, dass die dunkle Materie überhaupt existiert? Der Schweizer Astronom Fritz Zwicky fand 1933 heraus, dass eine riesige Gravitationskraft die Galaxien zusammenhält – sonst würden sie auseinanderdriften. Da von der Gravitationsstärke auf die Masse geschlossen werden kann, muss die unbekannte dunkle Materie gigantisch sein. Die Anziehungskraft beispielsweise ist wegen der umfangreicheren Masse unseres Planeten auf der Erde grösser als auf dem Mond, wo Astronauten sich im schwebenden Gang fortbewegen. Zwicky war seiner Zeit weit voraus, seine Ergebnisse wurden damals angezweifelt – 60 Jahre später jedoch wurde ihre Richtigkeit bewiesen: Es gibt eine dunkle Materie, die das Universum zusammenhält und seine Struktur bestimmt.

Galaxien in dunkler Wolke

Die Galaxien sind laut Klaus Pretzl in eine Wolke von dunkler Materie eingebettet, die vermutlich aus Teilchen besteht, den sogenannten Wimps («weakly interacting massive particles»). Die Wimps sind im frühen Universum entstanden und treten mit gewöhnlicher Materie kaum in Wechselwirkung, weshalb sie bisher noch nicht nachgewiesen werden konnten. Wie sehen diese geheimnisvollen Teilchen aus, deren immense Anzahl die dunkle Materie ausmacht? Wie sind sie beschaffen, und wie können sie erfasst werden? Diese Fragen treiben die Wissenschaftler an, und weltweit wird fiebrig daran gearbeitet, die mysteriösen Wimps zu bestimmen. An der Universität Bern wurde zu diesem Zweck 30 Meter unter der Erde ein spezielles Gerät namens Orpheus gebaut. Damit sollten die Wimps nachgewiesen werden, was bis jetzt aber noch nicht gelungen ist. Wissenschaftler des CERN in Genf versuchen nun, mit Proton-Proton-Kollisionen ähnliche Verhältnisse im Labor zu erzeugen, wie sie im frühen Universum geherrscht haben. Dabei hofft man, auch Wimps hervorzubringen und erfassen zu können.   

Weltall
Neben Galaxien und Sternen besteht das All aus dunkler Materie.

Geheimnisse des Weltalls

Professor Klaus Pretzl glaubt, dass es bald gelingen wird, die Zusammensetzung der dunklen Materie zu bestimmen: «Dann wird eines der grössten Geheimnisse gelüftet sein.» Auch in diesem Fall warten jedoch noch viele andere Rätsel. Nach heutigen Erkenntnissen setzt sich das Universum aus 4 Prozent gewöhnlicher Materie, die aus Atomen besteht, 22 Prozent dunkler Materie und 74 Prozent dunkler Energie zusammen. Selbst wenn wir einmal mehr über die dunkle Materie wissen, verbleiben immer noch 74 Prozent dunkle Energie, über welche die Forschenden nach wie vor im Dunkeln tappen. Sicher ist nur, dass sie im Gegensatz zur dunklen Materie nicht eine anziehende, sondern eine abstossende Wirkung hat. Da mehr abstossende dunkle Energie als anziehende dunkle Materie vorhanden ist, dehnt sich das Universum beschleunigt aus. Dazu Pretzl: «Diese neuen Erkenntnisse sprechen dafür, dass das Weltall dereinst nicht in sich zusammenfällt («Big Crunch»), sondern sich ewig ausdehnen wird.»   

Oben