Vorwärts zum Universitären Zentrum Mittelland

Seit zehn Jahren im Amt, seit acht Jahren als erster Vollzeitrektor der Universität Bern: Christoph Schäublin, Altphilologe, Rektor, Kunstliebhaber, tritt Ende August zurück.

Herr Schäublin – welches sind die positiven Ergebnisse Ihrer Amtszeit?
Deren gibt es viele, zumindest aus meiner Sicht. Künftig wird man meine Amtszeit vermutlich insbesondere mit dem neuen, seit 1997 geltenden Universitätsgesetz in Verbindung bringen: Ich war an dessen Vorbereitung beteiligt, habe es in den politischen und in anderen Gremien vertreten und durfte es schliesslich umsetzen. Mit andern Worten: in meinem Rektorat hat sich die Universität Bern aus einer Verwaltungsabteilung der Erziehungsdirektion in eine autonome Anstalt mit eigener Rechtspersönlichkeit verwandelt, am Ende gar mit einem neuen Erscheinungsbild.


«Die Universität braucht von Zeit zu Zeit neue Köpfe, neue Ideen und vielleicht auch einen neuen Stil.» (Bilder: Stefan Wermuth)

Das Ringen um die Autonomie der Universität zieht sich wie ein Roter Faden durch Ihre Amtszeit. Warum muss die Universität autonom sein?
Die Notwendigkeit der Autonomie, auch einer «betrieblichen» Autonomie, ergibt sich zunächst einmal aus der Eigengesetzlichkeit der Wissenschaft und aus deren Dynamik. Ferner gilt es zu bedenken, dass Universitäten in einem nationalen und internationalen Wettbewerb stehen und dass sie dementsprechend in der Lage sein müssen, flexibel auf neue Anforderungen zu reagieren. Gleich nachdem das neue Gesetz in Kraft getreten war, vermochten wir beispielsweise gemeinsam mit der Universität Zürich die Technologietransfer-Organisation «Unitectra» als Aktiengesellschaft zu gründen. Das wäre vorher nicht möglich gewesen. Ausserdem stellten wir unverzüglich jene Stiftung auf die Beine, die immer noch das World Trade Institute (WTI) trägt.

Voraussetzung dafür war das neue Universitätsgesetz?
Ja, die darin verankerte Rechtspersönlichkeit; in der Folge konnten dank dieser Stiftung die privaten Mittel aufgetrieben werden, die wir für die Gründung des WTI brauchten, und das heisst: für die Initiierung einer wahren Erfolgsgeschichte. Kürzlich hat das WTI den dritten Nationalen Forschungsschwerpunkt (NFS/NCCR) an die Universität Bern geholt. Auch das Vetsuisse-Projekt wäre vermutlich unter dem alten Universitätsgesetz so nicht denkbar gewesen. Die Initiative kam aus der Universität Bern, und was jetzt bereits erreicht ist – das gemeinsame Curriculum, die gemeinsame Planung und Führung der beiden Veterinärmedizinischen Fakultäten Bern und Zürich – beruht auf einem Vertrag, den die beiden autonomen Universitäten miteinander abgeschlossen haben. Hier zeigen sich indes auch die Grenzen der Autonomie: im Hinblick auf die notwendige Weiterentwicklung von Vetsuisse ist jetzt wieder die Politik gefordert. Wir benötigen eine staatliche Vereinbarung zwischen den beiden Kantonen, ein Konkordat.

Umgekehrt – wo hätten Sie gern mehr erreicht?
Ich bleibe bei der Autonomie: Es ist mir nicht gelungen, den Buchstaben – und vor allem den Geist – des Gesetzes im gewünschten und erforderlichen Masse Wirklichkeit werden zu lassen und «die Politik» wirklich davon zu überzeugen, dass die Universität ihre Autonomie nicht nur leben kann, sondern im Interesse aller Beteiligten auch leben muss.

Thema Finanzen. ETH und Uni Zürich haben beispielsweise als Sponsoren wohlhabende Saudis um finanzielle Hilfe gebeten. Eine nachahmenswerte Idee auch für Bern?
Auch wir haben einst ein Angebot aus Saudiarabien erhalten – und abgelehnt. Was zählt, sind die an solche Offerten geknüpften Bedingungen. Wer wählt beispielsweise die saudiarabischen Studierenden aus, die im Rahmen des von Ihnen erwähnten Programms nach Zürich geschickt werden sollen? Ich weiss es nicht und hoffe, dass allein die in Zürich so hoch gehaltene «Exzellenz» in Betracht kommt.

Gegen Gelder aus der freien Wirtschaft haben Sie aber anscheinend nichts. So werden auch an der Universität Bern einige Professuren von Unternehmen gesponsert.
Tatsächlich verfügen wir über einige privat finanzierte Professuren – leider nicht über so viele, wie ich es mir wünschte. Und mit Ausnahme der Novartis-Professur für Psychosomatik stammen die Gelder zumeist von Stiftungen (Silva Casa, Maurice Müller), nicht direkt aus der Wirtschaft. Diese hält sich in der Schweiz noch eher zurück – vielleicht weil sie denkt, dass bereits ein Teil ihrer Steuern den Universitäten zugute kommt.


«Zusammen genommen sind die BENEFRI-Universitäten grösser als etwa die Universität Zürich.»

Es ist derzeit an der Tagesordnung, dass Universitäten die Zusammenlegungen von Studienfächern oder deren Abbau mit Geldnöten begründen. Gleichzeit versuchen die Universitäten, sich im Vorfeld von «Bologna» ein eigenes Profil zu verschaffen. Welchen Weg will Bern beschreiten?
Wie es sich gehört, wird die Universität Bern versuchen, Geld und Geist in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Ab dem Studienjahr 2005/2006 wird sie nur noch «Bologna-Studiengänge» anbieten (vorläufig mit Ausnahme der Medizin). Das «Bologna-Modell» schafft aber völlig neuartige Voraussetzungen und darf nicht einfach als Fortsetzung des Bestehenden begriffen werden. Insbesondere ist nicht zwingend an jeden Forschungsbereich ein eigener Studiengang gebunden. Vielmehr werden manche Bereiche vermutlich nur Beiträge zu «integrierten Studiengängen» leisten. Studiengänge kann es nur dort geben, wo eine gewisse kritische Grösse erreicht ist: sei es innerhalb der Universität Bern, sei es im Verbund mit andern Universitäten. Auch in der Lehre werden künftig also vermehrt Kooperationen gefragt sein.
Die von Ihnen erwähnte «Profilierung» wird wohl im Wesentlichen über «spezialisierte Masterprogramme» erfolgen: in ihnen sollte sich das Unverwechselbare jeder Universität manifestieren. Zum Unverwechselbaren und zum Profil einer Universität gehört aber auch die Forschung. Da erinnere ich zunächst an unsere drei Nationalen Forschungsschwerpunkte («Climate», «North-South», «World Trade»).
 
Insgesamt will sich die Universität Bern als «drittes Universitäres Zentrum» der Schweiz positionieren. Was bedeutet dies?
Es ist nun einmal so, dass sich in Zürich und am Arc Lémanique – das heisst nicht zuletzt: im Umkreis der beiden Eidgenössischen Technischen Hochschulen – eigentliche Ballungszentren bilden, mit materiellen und personellen Möglichkeiten, welche diejenigen einer auf sich allein gestellten kantonalen Universität beim weitem übersteigen. Wenn wir nicht wollen, dass die restliche Schweiz gleichsam versandet - und wir dürfen es nicht wollen! -, müssen wir dieser Entwicklung etwas entgegenstellen. Insofern geht der BENEFRI-Verbund (Verbund der Universitäten Bern, Neuenburg, Freiburg, Red.) von einem richtigen Ansatz aus. Der Universität Bern kommt darin eine entscheidend wichtige Rolle zu. Nur glaube ich, dass BENEFRI fast schon neu erfunden und unter den gegebenen Umständen noch konsequenter zu Ende gedacht werden muss.
 
In welcher Hinsicht?
BENEFRI war und ist immer noch ein politisches Konstrukt, das aus der Zeit stammt, als die drei Universitäten noch Verwaltungsabteilungen der drei betroffenen Erziehungsdirektionen waren. Diesbezüglich ist eine Anpassung an die neuen gesetzlichen Gegebenheiten erforderlich; sie hätte grössere Flexibilität und Handlungsfreiheit zur Folge. Zum andern funktioniert BENEFRI meines Erachtens immer noch viel zu punktuell, um nicht zu sagen: viel zu «zufällig». Damit will ich keineswegs behaupten, dass das bisher Erreichte sich nicht sehen lassen kann. Doch insgesamt zeichnet sich noch keine gemeinsame Strategie ab, die diesen Namen verdient. Zusammen genommen sind die BENEFRI-Universitäten grösser als etwa die Universität Zürich, und zusammen genommen nähmen sie in jedem der ominösen «Rankings» einen Spitzenplatz ein. Dieses Potential gilt es künftig besser zu nutzen.
 

Die ungekürzte Version des Gesprächs ist in UniPress Nr. 125 erschienen.