Die Kunsthistoriker feiern ihren Hundertsten

Das Institut für Kunstgeschichte ist im Sommersemester 1905 als Kunsthistorisches Seminar gegründet worden. 100 Jahre später feiern die Berner Kunsthistoriker in einem Festakt das Jubiläum und diskutieren auf einem Symposium über die künftigen Aufgaben ihres Fachs.

Von Sabine Olff 20. Mai 2005

Es sei ein Institut auf das die Uni Bern stolz sein kann. Die lobenden Worte kamen anlässlich des Festakts zum 100-jährigen Jubiläum des Instituts für Kunstgeschichte am Donnerstagabend von oberster Stelle – von Rektor Christoph Schäublin. «Das Institut hat ein attraktives, Bern-spezifisches Profil», führte er aus. Schäublin muss es wissen, denn vor einiger Zeit arbeitete er selbst als Hilfsassistent und Übersetzer bei den Kunsthistorikern an der Hodlerstrasse. Regierungsrat Mario Annoni führte den Lobesreigen fort und nannte Gründe für die Erfolgsgeschichte. «Das Institut verstehe es Synergien zu nutzen», sagte er, und meinte damit beispielsweise die enge Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege oder der Hochschule für Kunst und Gestaltung. Zudem zeichnet das Institut die interne Stabilität aus und die Bereitschaft sich an die Anforderungen der Zeit anzupassen.

Regierungsrat Mario Annoni bei seiner Rede am Symposium
Regierungsrat Mario Annoni hebt beim Festakt die interne Stabilität im Institut für Kunstgeschichte hervor.

Konstanz und Innovation

Jüngste Beispiele für die Anpassungsfähigkeit sind etwa der Onlineplattform «artcampus» und der neu geschaffene Lehrstuhl für Kunstgeschichte der Gegenwart im Jahr 2001, den Peter Schneemann innehat. Bis Anfang der 70er Jahre gab es nur eine Professur; 1971 wurden drei ordentliche Professuren geschaffen. Seitdem gibt es die Abteilung für Architekturgeschichte und Denkmalpflege, von 1991 bis Februar 2005 von Volker Hoffmann geleitet, die Abteilung für ältere Kunstgeschichte, an deren Spitze Norberto Gramaccini steht, und die Abteilung für Kunstgeschichte der Neuzeit und der Moderne unter der Obhut von Oskar Bätschmann. Nachfolger von Hoffmann wird zum Wintersemester 05/06 der Deutsche Bernd Nicolai.

Bätschmann zeichnete die 100-jährige Institutsgeschichte am Festakt kurz nach; ausführlich kann sie in der Festschrift nachgelesen werden. Er ging insbesondere auf die auffallenden Konstanten ein. Zum einen lehrten die Berner Ordinarien über ausserordentlich lange Zeiträume. So unterrichtete Hans Hahnloser 35 Jahre lang; Artur Weese brachte es auf fast dreissig Jahre. Zum anderen strich Bätschmann, der immerhin bereits auf 14 Lehrjahre zurückblicken kann, die traditionellen Interessensgebiete heraus: Die Gegenwartskunst, die Berner Kunst und die Kunst Venedigs.

Oskar Bätschmann bei seiner Rede.
Oskar Bätschmann ist der Leiter der Abteilung für Kunstgeschichte der Neuzeit und der Moderne.

Bedenken bei Bologna

Zum Schluss seiner Rede widmete sich der Kunsthistoriker der bevorstehenden Bologna-Studienreform. Das Institut für Kunstgeschichte wird ab dem kommenden Wintersemester drei Masterabschlüsse anbieten: einen wissenschaftlich orientierten, einen in Kombination mit Ausstellungs- und Museumsarbeit sowie einen mit Ausrichtung auf die Denkmalpflege. Bätschmann steht der Reform kritisch gegenüber und machte daraus keinen Hehl: «Die Straffung des Studiums wird sich negativ auf die Eigenständigkeit der Studierenden auswirken», sagte er.

Die deutsche Festrednerin Sybille Ebert-Schifferer, Direktorin des Max-Planck-Instituts für Kunstgeschichte in Rom (Bibliotheca Hertziana), formulierte ihre Reformkritik noch um einiges schärfer. «Künftig werden wir nicht bessere, sondern einfach nur mehr Absolventen haben.» Die Kernkompetenz eines Kunsthistorikers, das Sehen-Lernen, könne während eines Bachelor-Studiums nicht mehr vermittelt werden. «Da geht es nur noch um die Jagd nach Credit Points.» Die Masterabschlüsse werden die Absolventen einengen, prognostizierte sie. Denn bei der jetzigen Arbeitsmarktsituation müsse ein Kunsthistoriker flexibel und mit einem breiten Wissen auf das rare Angebot reagieren können. Ebert-Schiffer appellierte deshalb an die Schweizer Kollegen die Bologna-Reform einfach auszulassen. «Wer das wagt, wird in Kürze die Nase vorne haben.» 

Studentin Luisa Weber am Rednerpult
Studentin Luisa Weber wurde mit der Frage konfrontiert, ob Kunstgeschichte nicht doch ein «Hausfrauenstudium» sei.

Sprachrohr für visuelle Darstellung

Neben den düsteren Zukunftsprognosen beschäftigte sich Ebert-Schifferer in ihrer Rede mit dem Ansehen und dem Aufgabenspektrum ihrer Zunft. Die Kunsthistoriker wähnten sich ständig in der Krise, sagte sie. Dabei ist das Interesse an Kunst so gross wie noch nie. In Deutschland strömten im vergangenen Jahr 101 Millionen Menschen in Museen und Ausstellungen – doppelt so viel wie Mitte der 80er Jahre. Es müsse künftig gelingen, dieses Publikum am Wissen der Kunsthistoriker teilhaben zu lassen. Denn ein Kunsthistoriker sei gewissermassen das Sprachrohr für die visuelle Darstellung.

Allein als kommerzielle Dienstleister wollte Ebert-Schifferer sich und ihre Kollegen aber nicht sehen. Kunstgeschichte sei natürlich zudem eine Wissenschaft. Mit dem Vorurteil, dass Kunstgeschichte genau dies nicht ist, sieht sich auch Studentin Luisa Weber konfrontiert. Für manch einen ist es sogar ein «Hausfrauenstudium», wie Weber aus eigener Erfahrung erzählt. Auf dem Symposium «Dienstleistung Kunstgeschichte», das am 20. und 21. Mai 2005 im Rahmen Jubiläumsfeierlichkeiten und des Festivals Science et Cité in Bern stattfindet, wird über die Zukunft des Fachs ausführlicher diskutiert werden.

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