Bloss nicht zu gross werden

Je nach Rang und Grösse der Kollegen wachsen bestimmte Buntbarsche schnell oder langsam. Die Regel dabei: bloss nicht grösser werden als die ranghöheren Artgenossen. Denn dann droht der Familienverweis.

Von Sabine Olff 03. November 2004

Fische wachsen ihr Leben lang. Damit unterscheiden sich die Wasserbewohner von Menschen, Säugetieren und Vögeln, die teils mit dem Alter sogar wieder kleiner werden. Der Körperumfang geht bei Fischen, die in Gruppen zusammenleben, mit dem Rang einher. So sind etwa bei den Tanganjikasee-Buntbarschen der Art Neolamprologus pulcher die Aufgaben abhängig von der Körpergrösse klar verteilt. Die grössten Fische pflanzen sich fort, die kleineren dürfen nur bei der Brutpflege helfen. Um nicht als Konkurrent zu gelten und deshalb aus der Familie verbannt zu werden, wahren die Helfer einen sicheren Grössenabstand zu den Brütern: Sie wachsen langsam, wenn sie kleine Fischeltern unterstützen, und schnell, wenn sie grossen Kollegen helfen. «Sie bleiben damit stets kleiner als die ranghöheren Gruppenmitglieder», erklärt Dik Heg von der Abteilung für Verhaltensbiologie am Zoologischen Institut der Universität Bern, der die Beobachtungen kürzlich in den «Biology Letters» der Proceedings of the Royal Society veröffentlicht hat.

Buntbarsch
Ein Tanganjikasee-Buntbarsch hilft in der Kinderstube und hält die Brutstätte sauber. Bild: Ralph Bergmüller
Ringaquarium
Dik Heg (rechts) auf Beobachtungsposten im Berner Aquarium. Bild: Ralph Bergmüller

Bedingungen wie im Tanganjikasee

Normalerweise leben Hegs Untersuchungsobjekte im afrikanischen Tanganjikasee. Der «strategischen Wachstumsentscheidung» kam der Niederländer zusammen mit seinem Team jedoch im Berner Labor auf die Spur. In einem ringförmigen 7200 Liter fassenden Aquarium richteten die Zoologen 32 transparente Kammern ein. Bei Temperaturen wie im Tanganjikasee siedelten sie in jedem Abteil eine vierköpfige Buntbarsch-Gruppe an. Alle Fische wurden zu Beginn des Experiments gewogen und vermessen. In jeder Kammer schwammen ein Brutweibchen sowie zwei männliche Helfer. Zu 16 Gruppen setzten die Forscher im Vergleich zum Brutweibchen ein grösseres, zu den verbleibenden 16 Gruppen ein kleineres Brutmännchen. Die beiden Helfer waren unterschiedlich gross und beide kleiner als die Brüter. Danach hatte jede Gruppe über 30 Tage lang Zeit für die Familienplanung. Anschliessend nahmen die Forscher erneut Mass.

Buntbarsch-Familie
Die vierköpfigen Buntbarsch-Familien tummeln sich in ihren Aquarien-Kammern. Bild: Ralph Bergnüller

Wachstum dem Rang angepasst

Die Auswertung der Daten zeigte eindeutig, dass die Helfer in Gruppen mit grossen Brutmännchen schneller in die Länge schiessen als solche in Gruppen mit kleinen Brutmännchen. Im Berner Aquarium nahmen die Helfer in Gesellschaft von gross gewachsenen Artgenossen um fast ein Viertel mehr an Körperlänge zu als unter klein gewachsenen Kollegen. Bei der Analyse des Gewichts stellten die Verhaltensbiologen dagegen fest, dass alle Helfer ungefähr gleich viel zugenommen hatten - egal mit welchem Brutmännchen sie zusammen lebten. Bot sich einem Helfer jedoch die Gelegenheit selbst zu brüten, wurde er rasch länger und auch schwerer. Hegs Fazit: «Erst wenn die Buntbarsche selbständig sind, dürfen sie nach Lust und Laune wachsen.»