Elite der Marsforschung trifft sich am Ende der Welt

Patricio Becerra ist Planetenforscher und arbeitet als Post-Doc an der Uni Bern in der Planetary Imaging Group (PIG) von Professor Nicolas Thomas. Im Januar hat er eine internationale Konferenz zur Mars-Eisforschung in Ushuaia, Argentinien, mitorganisiert. Er hat spektakuläre Bilder von den Exkursionen mitgebracht und erklärt «uniaktuell», warum die Konferenz am «Ende der Welt» stattfand.

Von Brigit Bucher 19. Juni 2020

Ushuaia, wo die Konferenz stattfand, ist die südlichste Stadt der Welt. Alle Bilder im Artikel wurden von Patricio Becerra zur Verfügung gestellt.
Ushuaia, wo die Konferenz stattfand, ist die südlichste Stadt der Welt. Alle Bilder im Artikel wurden von Patricio Becerra zur Verfügung gestellt.

Vom 13. Bis 17. Januar 2020 hat in Ushuaia, Argentinen die siebte Ausgabe der «International Conference on Mars Polar Science and Exploration» (ICMPSE) stattgefunden, eine internationale Konferenz zur Erforschung der Polarregionen auf dem Mars. Im Zentrum standen Fragen rund um die Eisablagerungen auf dem Mars und wie sich das Klima auf unserem Nachbarplaneten entwickelt hat.

Teilgenommen haben 75 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der ganzen Welt, neben führenden Köpfen aus der Marsforschung auch viele Doktoranden und Masterstudierende. «Zwischen den Forschern findet ein intensiver Gedankenaustausch über die neuesten Studien in der Mars-Eiswissenschaft statt, und Ideen für zukünftige Forschungsprojekte werden diskutiert», sagt Patricio Becerra, Post-Doc an der Uni Bern und Mitorganisator der Konferenz. Er hat an der in der Vergangenheit selber regelmässig an der ICMPSE teilgenommen. Denn: «Es ist eine meiner Lieblingskonferenzen, auf der ich am meisten über andere Forschungsarbeiten in meinem Fachgebiet lerne», so Becerra.

75 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der ganzen Welt nahmen an der Konferenz teil.
75 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der ganzen Welt nahmen an der Konferenz teil.

Angestellt in einer der weltweit führenden Forschungsgruppen

Patricio Becerra hat am Lunar and Planetary Laboratory der University of Arizona doktoriert, wo er unter anderem an der Mars Kamera HiRISE mitarbeitete, die seit 2006 an Bord des NASA Mars Reconaissance Orbiter (MRO) Aufnahmen der Marsoberfläche macht. «Ich befasse mich in meiner Forschung mit  Prozessen im Zusammenhang mit Eis und flüchtigen Elementen und wie ihre physikalischen Eigenschaften und ihre Verteilung mit der Klimageschichte eines Planeten zusammenhängen.»

Seit Februar 2017 ist Patricio Becerra an der Universität Bern als Postdoc in der Forschungsgruppe Planetary Imaging Group (PIG) von Professor Nicolas Thomas tätig. «Ich hatte mich auf die ausgeschriebene Stelle bei Nicolas Thomas beworben, da ich von seiner Gruppe und seiner Forschung wusste – teilweise von den Mars-Forschungskonferenzen – und seine Gruppe weltweites Ansehen geniesst.»

Becerras Erfahrung mit der Kamera HiRISE kam ihm in seiner derzeitigen Position bei CaSSIS zugute, die Berner Marskamera, die an Bord des ExoMars Trace Gas Orbiter (TGO) seit 2018 spektakuläre farbige Bilder vom Mars liefert. «Mir gefällt es extrem gut an der Uni Bern. Es ist natürlich toll, an einer der weltweit führenden Universitäten im Bereich Weltraumforschung zu arbeiten.» Er habe von Nicolas Thomas auch viel Unterstützung und Zuspruch erhalten für sein Engagement im Organisationskomitee der Konferenz.   

Der ideale Austragungsort

Warum aber war Ushuaia, das an der Südspitze Südamerikas liegt und auch «Das Ende der Welt» genannt wird, der ideale Austragungsort für die Konferenz? Patricio Becerra erzählt: «2016 nahm ich an 6. Ausgabe der Konferenz in Reykjavik, Island, teil. Während der letzten Diskussionsrunde ist jeweils Zeit reserviert, um die Orte zu besprechen, an denen die nächste Ausgabe der Konferenz stattfinden könnte.» Sie finden normalerweise an Orten statt, die in hohen Breitengraden liegen, damit Exkursionen zu Gletscherlandschaften möglich sind, da diese Landschaften mit den glazialen Landformen auf dem Mars verglichen werden können. «Während dieser letzten Diskussionsrunde habe ich mich gemeldet. Es war nämlich schon länger mein Ziel, die Konferenz zum ersten Mal auf meinen Heimatkontinent zu bringen, da ich die spektakulären Feldforschungsmöglichkeiten kenne, die es in Patagonien gibt», erklärt Becerra. Denn er ist in Peru geboren und aufgewachsen und hat während seines Bachelor-Studiums an der Pontificia Universidad Católica del Perú Forschungskontakte in Argentinien geknüpft.

So wurden im Rahmen der Konferenz drei Exkursionen durchgeführt: Eine führte per Boot durch den Beagle Channel, wo die Teilnehmenden die Morphologie des von uralten Gletschern gebildeten Kanals untersuchten. Eine zweite Exkursion ging in den Tierra del Fuego National Park, um seine Gletschertäler und Landformen zu erkunden. Der dritte Ausflug war ein fünftägiger Ausflug in die Provinz Santa Cruz, um den Perito Moreno-Gletscher und die spektakulären Gletscherseen und -täler der südlichen Anden zu besuchen.

Neben Patricio Becerra (rechts) und Prof. Nicolas Thomas (nicht auf dem Bild) nahmen auch drei Planetenforscherinnen der Universität Bern an der Konferenz teil: Doktorandin Camila Cesar (ganz links), Postdoktorandin Clemence Herny (zweite von links) und PIG-Alumna Zuriñe Yoldi (dritte von links), jetzt an der Universität Kopenhagen.
Neben Patricio Becerra (rechts) und Prof. Nicolas Thomas (nicht auf dem Bild) nahmen auch drei Planetenforscherinnen der Universität Bern an der Konferenz teil: Doktorandin Camila Cesar (ganz links), Postdoktorandin Clemence Herny (zweite von links) und PIG-Alumna Zuriñe Yoldi (dritte von links), jetzt an der Universität Kopenhagen.

Die Erforschung des Eises auf dem Mars ist ein bedeutendes Gebiet in der Weltraumforschung. Die eisigen Ablagerungen auf dem Mars sind nach denen der Erde die grössten Wasserreservoirs im inneren Sonnensystem. «Wir wissen, dass das Eis an einigen Stellen ziemlich nahe an der Oberfläche liegt. Dies ist unter anderem wichtig für zukünftige Marsmissionen, die dieses Wassereis als Nahrungsquelle und Treibstoff nutzen könnten», sagt Patricio Becerra. Die polare Eisschilde enthalten zudem wichtige Informationen über den Klimawandel auf dem Mars: «Ähnlich wie der Klimawandel auf der Erde aus dem Eis in der Antarktis oder Grönland abgelesen werden kann, ist dies auf dem Mars bei den polaren Eisschilden möglich», so Becerra.

Soeben ist in der renommierten Fachzeitschrift Nature Astronomy der Konferenzbericht erschienen, den Becerra gemeinsam mit den anderen Organisatoren der Konferenz verfasst hat und der die wichtigsten Erkenntnisse der Konferenz zusammenfasst.

 

Zur Person

Dr. Patricio Becerra ist Postdoc-Forscher in der Planetary Imaging Group (PIG) am Physikalischen Institut der Universität Bern. Er erhielt seinen BSc in Physik in seinem Heimatland Peru im Jahr 2008, seinen MSc im Jahr 2011, und anschliessenden doktorierte er 2016 am Lunar and Planetary Laboratory der University of Arizona in Planetenwissenschaften. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf Eis- und Klimaprozessen auf dem Mars, wofür er die Analyse von Fernerkundungsdaten, Labormessungen von Eis und die Modellierung von Oberflächenprozessen verwendet. Er kam 2017 an das Physikalische Institut der Universität Bern und ist seither Teil des Wissenschafts- und Betriebsteams des Colour and Stereo Surface Imaging System (CaSSIS), der an der Universität Bern gebauten Kamera im Orbit um den Mars.

Kontakt:

Dr. Patricio Becerra Valdes
Physikalisches Institut, Weltraumforschung und Planetologie (WP)
Telefon direkt: +41 31 631 48 17
Email: patricio.becerra@space.unibe.ch

INTERNATIONAL CONFERENCE ON MARS POLAR SCIENCE AND EXPLORATION (ICMPSE)

Die Konferenz ICMPSE ist jeweils in thematische Sitzungen gegliedert, die mit einer 30-minütigen Diskussion enden, in der die wichtigsten Fortschritte zusammengefasst werden und Fragen definiert werden, die die weitere Forschung vorantreiben werden.

Themen der 7. ICMPSE

1. Polare Atmosphäre: Welche atmosphärischen Prozesse laufen in den Polarregionen des Mars ab, und wie tragen sie zum globalen Kreislauf von flüchtigen Stoffen und Staub bei?

2. Ständiges polares Eis: Was verraten die Eigenschaften der polaren Eisablagerungen des Mars über ihre Entstehung und Entwicklung?

3. Klimaaufzeichnungen im Polareis: Wie hat sich das Marsklima im Laufe der Zeit entwickelt, was ist das absolute Alter der beobachtbaren Aufzeichnungen, und wie sollten diese Aufzeichnungen interpretiert werden?

4. Nichtpolares Eis: Wie ist die Geschichte und der gegenwärtige Zustand der Eisreservoirs in den mittleren und niedrigen Breitengraden des Mars?

5. Heutige Aktivität. Welche Rolle spielen flüchtige Stoffe und Staub bei den Oberflächenprozessen, die heute die Polarregionen des Mars formen?

Am Ende des 7. ICMPSE wurde eine zusätzliche thematische Frage für die Zukunft definiert:

6. Mars als Prüfstand für vergleichende Planetologie: Was kann uns das Mars-Eis über Prozesse lehren, die Körper betreffen, die wie der Mars Oberflächeneis im thermischen Gleichgewicht mit einer Atmosphäre haben (wie Triton, Pluto und möglicherweise andere transneptunische Objekte oder sogar Exoplaneten)?

Zum Konferenzbericht: https://rdcu.be/b40Ns

THE PLANETARY IMAGING GROUP (PIG)

Die Planetary Imaging Group (PIG) untersucht Objekte im Sonnensystem mit Hilfe von Fernerkundungstechniken, wie zum Beispiel den Mars mit dem Berner Kamerasystem CaSSIS. Das Team ist auf Objekte und Oberflächen spezialisiert, bei denen Phasenänderungen auftreten (wie Kometen, den Mars und oder den Jupiter-Mond Europa). Zusätzlich zum Aufbau von Experimenten arbeitet das Team im Labor mit Eis, um dessen Eigenschaften zu erforschen.

Die Forschungsgruppe ist am Physikalischen Institut der Universität Bern in der Abteilung Weltraumforschung und Planetologie angesiedelt und wird von Prof. Nicolas Thomas geleitet.

Mehr Informationen

BERNER WELTRAUMFORSCHUNG: SEIT DER ERSTEN MONDLANDUNG AN DER WELTSPITZE

Als am 21. Juli 1969 Buzz Aldrin als zweiter Mann aus der Mondlandefähre stieg, entrollte er als erstes das Berner Sonnenwindsegel und steckte es noch vor der amerikanischen Flagge in den Boden des Mondes. Dieses Solarwind Composition Experiment (SWC), welches von Prof. Dr. Johannes Geiss und seinem Team am Physikalischen Institut der Universität Bern geplant und ausgewertet wurde, war ein erster grosser Höhepunkt in der Geschichte der Berner Weltraumforschung.

Die Berner Weltraumforschung ist seit damals an der Weltspitze mit dabei. In Zahlen ergibt dies eine stattliche Bilanz: 25mal flogen Instrumente mit Raketen in die obere Atmosphäre und Ionosphäre (1967-1993), 9mal auf Ballonflügen in die Stratosphäre (1991-2008), über 30 Instrumente flogen auf Raumsonden mit, und mit CHEOPS teilt die Universität Bern die Verantwortung mit der ESA für eine ganze Mission.

Die erfolgreiche Arbeit der Abteilung Weltraumforschung und Planetologie (WP) des Physikalischen Instituts der Universität Bern wurde durch die Gründung eines universitären Kompetenzzentrums, dem Center for Space and Habitability (CSH), gestärkt. Der Schweizer Nationalsfonds sprach der Universität Bern zudem den Nationalen Forschungsschwerpunkt (NFS) PlanetS zu, den sie gemeinsam mit der Universität Genf leitet.

ZUR AUTORIN

Brigit Bucher arbeitet als Leiterin Media Relations und ist Themenverantwortliche «Space» in der Abteilung Kommunikation & Marketing an der Universität Bern.

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