Tierversuche sollen aussagekräftiger werden

Mit einem veränderten Studiendesign würde die Aussagekraft und Reproduzierbarkeit von Tierversuchen erheblich steigen – und die Zahl der Versuchstiere könnte weiter reduziert werden. Dies ist das Resultat einer Studie von Bernhard Völkl von der Vetsuisse-Fakultät der Universität Bern, die nun vom renommierten britischen «National Center for the 3Rs» (NC3Rs) ausgezeichnet wurde.

Interview: Timm Eugster 28. März 2019

Herzliche Gratulation zur Auszeichnung Ihrer Studie. Was bedeutet Ihnen der Preis des NC3Rs?
Bernhard Völkl: Der Preis freut mich sehr, denn er zeigt, dass die Publikation ihr Zielpublikum gefunden hat. Die Schlussfolgerungen unserer Studie basieren auf statistischen Argumenten, die oft schwer zu vermitteln sind. Das ist uns aber anscheinend gut gelungen. NC3Rs ist eine sehr erfolgreiche und einflussreiche Organisation. Eine Auszeichnung durch NC3Rs kann deshalb mithelfen, die gängige Praxis, wie präklinischen Studien durchgeführt werden, zu beeinflussen und deren Aussagekraft zu verbessern.

Bernhard Völkl bei der Preisverleihung am National Center for the 3Rs (NC3Rs) in London. Links im Bild Martin Bayliss von GlaxoSmithKline, der Stifterin des Preises. Bild: zvg.
Bernhard Völkl bei der Preisverleihung am National Center for the 3Rs (NC3Rs) in London. Links im Bild Martin Bayliss von GlaxoSmithKline, der Stifterin des Preises. Bild: zvg.

Sie kamen in der Studie zum Schluss, dass sogenannte Multilaborstudien mithelfen können, die Zahl der Versuchstiere weiter zu reduzieren. Können Sie erklären, weshalb das so ist?
Wenn ein Experiment in nur einem Labor, unter ganz spezifischen Bedingungen, durchgeführt wird, dann kann es geschehen, dass sich die Resultate in einem anderen Labor, in dem etwas andere Bedingungen herrschen, nicht mehr reproduzieren lassen. Das ist vor allem bei Tierversuchen der Fall, da Tiere sehr empfindlich auf Umwelteinflüsse während der Haltung und auch während des Versuchs reagieren können. Aus Resultaten, die sich nicht reproduzieren lassen, kann man keine allgemeinen Schlussfolgerungen ziehen. Die Tiere sind in diesem Fall geopfert worden, ohne daraus einen Erkenntnisgewinn zu erzielen – und das ist ethisch nicht vertretbar.

Sie empfehlen, anstelle der normalerweise durchgeführten standardisierten Einzellaborstudien, stärker auf Multilaborstudien zu setzen. Ist hier bereits ein Umdenken im Gang?
Bei klinischen Studien am Menschen sind Multilaborstudien bereits Standard. Ein Grund dafür ist, dass man schon vor einiger Zeit erkannt hat, dass Ergebnisse, die von einer einzelnen Klinik stammen, oft nicht repräsentativ sind und sich nicht so leicht verallgemeinern lassen. Im präklinischen Bereich, also bei der Grundlagenforschung am Tiermodell, hat sich diese Einsicht noch nicht durchgesetzt. Ein Umdenken ist aber schon zu bemerken: mehrere Förderorganisationen haben Initiativen gestartet, um Multilaborstudien zu unterstützen. Auch wenn die Anzahl der geförderten Studien noch sehr gering ist, so zeigt das doch, dass der Nutzen von Multilaborstudien anerkannt wird.

Sind aufgrund der Studie bereits Richtlinien oder die Bewilligungspraxis geändert worden?
Nein, aber der NC3Rs-Preis wird möglicherweise dazu beitragen, dass dies geschieht. Bei der Preisverleihung waren Vertreterinnen und Vertreter tonangebender Institutionen anwesend, die unsere Argumente durchaus überzeugend fanden. Wichtig ist allerdings auch, dass unsere Studie repliziert wird, und dass die Ergebnisse – die derzeit theoretischer Natur sind – auch in praktischen Studien verifiziert werden. Dazu gibt es bereits konkrete Bemühungen.

Medienmitteilung der Universität Bern vom 22.02.2018 zur Studie von Dr. Bernhard Völkl und Prof. Dr. Hanno Würbel

Zur Person

Dr. Bernhard Völkl ist Postdoc in der Abteilung Tierschutz des Veterinary Public Health-Instituts der Vetsuisse Fakultät der Universität Bern.

Kontakt:

Dr. Bernhard Völkl
Veterinary Public Health Institute, Animal Welfare Division
Vetsuisse-Fakultät, Universität Bern
bernhard.voelkl@vetsuisse.unibe.ch

Zu Tierversuchen und den 3R-Prinzipien

Laut dem Schweizer Tierschutzgesetz sind Tierversuche auf das unerlässliche Mass zu beschränken. Tiere dürfen nur belastet werden, wenn das Versuchsvorhaben geeignet und erforderlich ist, um das angestrebte Versuchsziel zu erreichen und das Versuchsziel (ge)wichtig genug ist, um die Belastungen der Tiere zu rechtfertigen (Güterabwägung). Das 3R-Prinzip umfasst drei Werkzeuge, die den maximalen Schutz der Versuchstiere ermöglichen, ohne die Aussagekraft der wissenschaftlichen Forschung einzuschränken:

  • Replace: Das Ersetzen eines Tierversuches soweit möglich, wenn es geeignete Alternativmethoden gibt.
  • Reduce: Die Reduktion der Tierversuche und der Anzahl der Versuchstiere soweit wie möglich. Entscheidend dabei ist, so viele Tiere einzusetzen, wie für eine statistisch abgesicherte Aussage notwendig sind. Dabei müssen genügend Tiere verwendet werden, da sonst die Resultate zu wenig aussagekräftig wären.
  • Refine: Die Methoden und der Umgang mit den Tieren während der Versuche und in der Haltung sollen sicherstellen, dass deren Belastung so gering wie möglich ist und es ihnen möglichst gut geht.

 

Das «National Centre for the Replacement, Refinement and Reduction of Animals in Research» (NC3Rs) ist eine britische Wissenschaftsorganisation zur Umsetzung der sogenannten 3R-Prinzipien.

 

In der Schweiz fördert das 3R Kompetenzzentrum Schweiz (3RCC) die 3R-Prinzipien. Das 3RCC ist eine gemeinsame Initiative von Hochschulen, Industrie, Aufsichts- und Regierungsbehörden sowie Tierschutzorganisationen, die an der Universität Bern angesiedelt ist.


 

ZUM AUTOR

Timm Eugster arbeitet als Redaktor Corporate Publishing in der Abteilung Kommunikation & Marketing der Universität Bern. Er ist verantwortlich für die Themen Klima, Nachhaltigkeit und Tierversuche/3R.

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