Fördergelder für zwei innovative Projekte der Universität Bern

Eine Spezialbrille, die eine Augenkrankheit diagnostiziert, und tragbare Sensoren, die Verletzungen von Haut und Gewebe bei langem Liegen verhindern: Mit diesen zwei Projekten waren Forscherinnen der Universität Bern bei der aktuellen Ausschreibung des BRIDGE-Förderungsangebots von SNF und Innosuisse erfolgreich.

Von Nathalie Matter 19. Februar 2019

Mit dem BRIDGE-Förderungsangebot unterstützt der Schweizerische Nationalfonds SNF und die Schweizerische Agentur für Innovationsförderung Innosuisse Projekte, die durch wissenschaftliche Exzellenz, eine klare Umsetzungsstrategie sowie wirtschaftliches und gesellschaftliches Potenzial überzeugen. Bei der aktuellen Ausschreibung wurden zwei Bewerbungen der Universität Bern angenommen. Ursula Wolf, Professorin am Institut für Komplementäre und Integrative Medizin (IKIM), wird zusammen mit Luciano Boesel von der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa und Guido Piai von der Interstaatlichen Hochschule für Technik NTB im Rahmen von «BRIDGE Discovery» gefördert. Serife Kucur vom ARTORG Center for Biomedical Engineering Research bewarb sich erfolgreich bei «BRIDGE Proof of Concept». Das Projekt «ProTex» von Ursula Wolf erhält insgesamt rund 2 Millionen Franken, davon gehen über 763'000 Franken an die Uni Bern. Das Projekt «ALLY» von Serife Kucur erhält 111'300 Franken. In beiden Projekten sollen Prototypen hergestellt und klinisch getestet werden, um daraus ein marktreifes Produkt zu entwickeln.

Smarte Sensoren

«ProTex»: Hochempfindliche tragbare Sensoren messen mit Licht die Sauerstoffsättigung im Blut. Bild: Empa.
«ProTex»: Hochempfindliche tragbare Sensoren messen mit Licht die Sauerstoffsättigung im Blut. Bild: Empa.

Ursula Wolf, Luciano Boesel und Guido Piai entwickeln im Projekt «ProTex» textile, «smarte» Sensoren, die das Auftreten von Druckverletzungen verhindern. Druckverletzungen oder -geschwüre der Haut und des darunterliegenden Gewebes entstehen, wenn bei Personen mit Querschnittslähmung, die sich nicht gut bewegen können, und bettlägrigen Patientinnen und Patienten durch Druckbelastung die Sauerstoffversorgung der Haut und des darunter liegenden Gewebes gestört ist. Die Behandlung ist aufwändig und teuer. «Das macht Druckverletzungen zu einem ernsten Gesundheitsproblem», sagt Ursula Wolf. Umso wichtiger ist es, sie gar nicht erst entstehen zu lassen.

Die ProTex-Sensoren können in Kleidung wie Unterwäsche oder Strümpfe integriert werden und messen kontinuierlich den Druck und die Sauerstoffsättigung der Haut und des darunterliegenden Gewebes. Wenn der Sauerstoffgehalt abfällt und die Sensoren das Risiko für ein Wundliegen entdecken, lösen sie ein Alarmsignal aus. Die betreffende Person kann bewegt und umgelagert werden. «Unsere Sensoren stellen einen neuen Ansatz im Bereich tragbarer Sensoren dar – und sind ausserdem ein wichtiger Schritt in Richtung ‘smarte’ Kleidung», so Wolf. Die Empa steuert dafür die optischen Fasern bei, die für die Realisierung textiler Sensoren benötigt werden. Die NTB liefert miniaturisierte Schnittstellen zu den optischen Fasern, leichte und tragbare Elektronik und die nötige digitale Signalbearbeitung. «Keiner von uns könnte das Projekt alleine durchführen», sagt Luciano Boesel von der Empa. «Zusammen haben wir die Expertise an Materialien, Optik, Elektronik, Medizin und Technik.»  

Diagnose dank künstlicher Intelligenz

Eine VR-Brille, in die ein Smartphone mit Perimetrie-Software integriert wurde, um die Gesichtsfeldmessung durchzuführen. Bild: Serife Kucur, Universität Bern
Eine VR-Brille, in die ein Smartphone mit Perimetrie-Software integriert wurde, um die Gesichtsfeldmessung durchzuführen. Bild: Serife Kucur, Universität Bern

Serife Kucurs Projekt «ALLY» hat zum Ziel, ein arztunabhängiges Diagnose-Tool für den grünen Star (Glaukom) zu entwickeln und klinisch zu erproben. Das Glaukom ist eine unheilbare Netzhautschädigung, von der weltweit rund 80 Millionen Menschen betroffen sind und zur Erblindung führt. Im Moment ist die Krankheit nicht heilbar, die Erblindung kann lediglich verzögert werden. Dafür wird halbjährlich eine sogenannte Gesichtsfelduntersuchung durchgeführt. Diese erfolgt in einer Augenklinik oder spezialisierten Praxis. Die Betroffenen müssen eine Abfolge von Lichtimpulsen erkennen und durch Knopfdruck melden. Aus der Messung wird das Fortschreiten der Erkrankung bestimmt und die weitere Behandlung festgelegt.

«Wegen des demographischen Wandels und wegen der immer früheren Erkennung des Glaukoms nehmen die Krankheitsfälle stark zu», sagt Serife Kucur vom ARTORG Center. So stark, dass die klinischen Infrastrukturen und Ressourcen nicht mehr ausreichen, um sie bewältigen. Kucur sieht dringenden Handlungsbedarf: «Es braucht schnellere und angenehmere Ansätze für die Diagnose und Messung, um die Patientinnen und Patienten und auch das Gesundheitssystem zu entlasten.»

Kucur nutzt dafür mobile Geräte wie Smartphones und Tablets sowie eine Virtual-Reality-Brille in Verbindung mit Künstlicher Intelligenz. So ermöglichen die Geräte in Kombination mit Algorithmen eine Gesichtsfeldmessung innerhalb von zwei Minuten in einer häuslichen oder alltäglichen Umgebung – wie einer Praxis, Apotheke oder einem Seniorenheim. Dadurch werden Aufwände auf medizinischer Site reduziert und die Lebensqualität und Selbstbestimmung der Betroffenen verbessert.

Ansicht der Software, mit der Patientinnen und Patienten Angaben selber eingeben und die Messung selbständig durchführen können. Bild. Serife Kucur, Universität Bern
Ansicht der Software, mit der Patientinnen und Patienten Angaben selber eingeben und die Messung selbständig durchführen können. Bild. Serife Kucur, Universität Bern

Weitere BRIDGE-Projekte mit Berner Beteiligung

Die Universität Bern ist an zwei weiteren Projekten beteiligt, die bei der BRIDGE-Ausschreibung ebenfalls erfolgreich waren. Vincent Perreten, Professor am Institut für Veterinärbakteriologie, und Dr. Rémy Bruggmann, Leiter des Interfakultären Bioinformatics Unit, sind gemeinsam mit der ZHAW am medizinischen Projekt «Microbial Epimerases» beteiligt. Prof. Martin Bachmann vom Department for BioMedical Research, Forschungsgruppe Rheumatologie, ist zudem am medizinischen Projekt «Self-assembling glycoprotein nanoparticle vaccines» der ETH Zürich beteiligt.

Das BRIDGE-Förderungsangebot

Das BRIDGE-Förderungsangebot von SNF und Innosuisse wurde erst zum zweiten Mal ausgeschrieben. BRIDGE Discovery ist ein Förderinstrument mit dem Ziel, das Innovationspotenzial von Forschungsresultaten umzusetzen. Es richtet sich an erfahrene Forschende mit einem Hintergrund in der Grundlagenforschung und der angewandten Forschung. In der aktuellen Ausschreibung wurden von 87 eingereichten Gesuchen 12 exzellente Projekte ausgewählt und mit einem Gesamtbetrag von 16,1 Millionen Franken unterstützt. Beim BRIDGE Proof of Concept handelt es sich um ein Förderungsangebot für Nachwuchsforschende.

Prof. Dr. med. Ursula Wolf

Prof. Dr. med. Ursula Wolf ist Direktorin des Instituts für Komplementäre und Integrative Medizin (IKIM) der Universität Bern.

Kontakt:

Telefon: +41 31 631 81 40
E-Mail: ursula.wolf@ikim.unibe.ch

Prof. Guido Piai

Prof. Guido Piai ist Leiter Institut für Elektronik, Sensorik und Aktorik  an der Interstaatlichen Hochschule für Technik Buchs.

Kontakt:

Telefon: +41 81 755 33 91
E-Mail: guido.piai@ntb.ch

Dr. Luciano Boesel

Dr. Luciano Boesel ist wissenschaftlicher Gruppenleiter des Laboratory for Biomimetic Membranes and Textiles an der Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa.

Kontakt:

Telefon: +41 58 765 73 93
E-Mail: luciano.boesel@empa.ch

Serife Kucur

Serife Kucur ist Doktorandin am ARTORG Center for Biomedical Engineering Research der Universität Bern, Gruppe Opthalmic Technology.

Kontakt:

Telefon: +41 31 632 76 11
E-Mail: serife.kucur@artorg.unibe.ch

Zur Autorin

Nathalie Matter arbeitet als Redaktorin bei Media Relations und ist Themenverantwortliche «Gesundheit und Medizin» in der Abteilung Kommunikation & Marketing an der Universität Bern.

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