Wie steht die Schweiz nach der Ablehnung des CO2-Gesetzes im internationalen Vergleich da?
Das ist im Moment noch sehr schwer einzuschätzen. Es muss sich zeigen, was auf der politischen Ebene in den kommenden Wochen und Monaten geschieht und ob die Ablehnung des CO2-Gesetzes eher zur Frustration oder zu neuer Motivation bei den politischen Eliten führt. So oder so, die Abstimmung hat gezeigt, dass es in einem Land wie der Schweiz unabdingbar ist, dass das Volk hinter einer ambitionierten Klimapolitik steht. Es braucht nun unbedingt neue Massnahmen, um die Ziele für 2030 zu erreichen.
Woran denkt man da?
Derzeit wird in den Medien von einem Umschwenken zu sektoriellen Ansätzen gesprochen. Hier bräuchte es vor allem neue Massnahmen im Verkehr, dem klimapolitischen Sorgenkind der Schweiz. Die Emissionen stagnieren hier seit Jahren, anstatt zu sinken. Allerdings müsste man dazu die Akzeptanz in der Bevölkerung erhöhen. Beispielsweise indem besser erklärt wird, wie die einzelnen Instrumente funktionieren. So ist vielen Menschen nicht bekannt, dass die Einnahmen aus der bestehenden CO2-Abgabe auf fossile Brennstoffe wie Heizöl über AHV und Krankenkasse an Bevölkerung und Unternehmen rückverteilt wird.
Sie untersuchen in einem international breit angelegten Projekt, weshalb Staaten im Klimaschutz Versprechungen machen, diese dann aber auf nationaler Ebene nicht umsetzen können. Nehmen die Verhandlungsdelegationen auf dem internationalen Parkett den Mund einfach zu voll?
Nein, das würde ich so nicht sagen. Die Delegationen gehen mit einem gewissen Spielraum in die Verhandlungen, der ihnen durch ihre Regierungen vorgegeben ist. In der Regel können die Delegationen deshalb keine Versprechen abgeben, die nicht durch die Regierungen abgesegnet sind, sprich über diesen Spielraum hinausgehen. Zudem geht es in den Verhandlungen tendenziell eher nicht um die konkreten nationalen Zielsetzungen, sondern um die Rahmenbedingungen der national festgelegten Beiträge.
Können Sie das erläutern?
Bei den Verhandlungen geht es eher um technische Dinge, wie zum Beispiel den Zeitrahmen, in dem Ziele erreicht werden sollen, oder um inhaltliche Anforderungen der national festgelegten Beitrage. Die konkreten Klimaziele werden auf der nationalen Ebene ausgehandelt und der internationalen Gemeinschaft präsentiert. Dieses Dokument zeigt, wie sich ein Land aussenpolitisch zum Thema Klimaschutz und Klimaanpassung positioniert. Die konkrete Umsetzung der Klimaziele, also die politischen Instrumente, die gewählt werden, um die Klimaziele zu erreichen, ist dann ebenfalls Sache der nationalen Regierungen und Parlamente. Involviert sind aber auch eine Reihe nichtstaatlicher Akteure wie zum Beispiel wirtschaftliche Interessengruppen, Umweltorganisationen, oder auch Aktivistengruppen wie Fridays for Future oder Extinction Rebellion.
Das tönt nach einem komplexen Prozess des Interessenausgleichs ...
Nicht nur in der Schweiz ist dies ein vielschichtiger, teilweise unüberschaubarer politischer Prozess, der eine Vielzahl von Akteuren miteinschliesst, und deshalb manchmal ein überraschendes oder zumindest unerwartetes Ende nimmt. So geschehen im positiven Sinne kürzlich in Deutschland mit der Verfassungsklage gegen das Brennstoffemissionshandelsgesetz, die möglicherweise eine Verschärfung der deutschen Klimapolitik nach sich ziehen wird, oder im negativen Sinne mit der Absage des CO2-Gesetzes am vergangenen Wochenende in der Schweiz, die im ungünstigsten Fall zu weniger ambitionierten Massnahmen führen könnte. Es sind also die Versprechungen eines Landes gegenüber der internationalen Gemeinschaft und die konkreten nationalen Massnahmen, die in der Realität oftmals auseinanderklaffen.