Ins All und in die Medizinrobotik schauen

Am diesjährigen Zukunftstag konnten Mädchen und Jungen an der Universität Bern unter anderem einen Blick ins All werfen und selber ein Instrument löten oder einen Medizinroboter bedienen. Erstmals gab es zudem einen Postenlauf zur Berufs- und Studienwahl durch die Länggasse und die Altstadt.

Sylviane Blum
Schülerinnen und Schüler beim Zukunftstag an der Universität Bern. © Sylviane Blum

Nach der letztjährigen Zwangspause durch Corona konnte 2021 der Zukunftstag wieder stattfinden. Gegen 300 Mädchen und Jungen lernten verschiedene Institute und Einheiten der Universität kennen. Die Schülerinnen und Schüler der 5. bis 7. Klasse konnten an Spezialprogrammen teilnehmen, die auch Kindern von Nicht-Uni-Angehörigen offenstanden.

Die Programme fanden teilweise in gemischten Gruppen statt und teilweise in reinen Mädchen- oder Jungen-Gruppen in jeweils «untypischen» Berufsfeldern. «Die Kinder erhöhen durch den Seitenwechsel das Selbstvertrauen, ihre Zukunft losgelöst von Geschlechterstereotypen selbst in die Hand zu nehmen», erklärt Lilian Fankhauser, Co-Leiterin der Abteilung für Gleichstellung, die den universitären Zukunftstag organisiert, während die einzelnen Programme von Mitarbeitenden verschiedener Institute und Einheiten gestaltet wurden.

Eine Station des neuen Postenlaufs zur Berufs- und Studienwahl am Zukunftstag. ©Gaia Fortunato
Eine Station des neuen Postenlaufs zur Berufs- und Studienwahl am Zukunftstag. ©Gaia Fortunato

Neu war in diesem Jahr ein Postenlauf durch die Länggasse und die Altstadt zur Berufs- und Studienwahl. Dabei wurden Fragen beantwortet wie «Wussten Sie, dass Programmieren früher ein typischer Frauenberuf war? Haben Sie sich auch schon gefragt, warum die meisten Kinderbücher von Männern geschrieben wurden oder warum vor allem Frauen Tänzerinnen werden und Männer Tontechniker?» Auf spielerischem Weg lernten die Kinder unterschiedliche Zukunftsperspektiven an den verschiedensten Orten kennen. Im Hörsaal, an der Bushaltestelle oder im Kino wurde die Geschlechtersegregation – die Ungleichstellung von Frauen und Männern – im Berufsleben thematisiert und hinterfragt sowie Wege zur Überwindung von Stereotypen diskutiert.

Mikrochips und Rehabilitationsroboter  

Am ARTORG Center fand der Zukunftstag im Rahmen des Schwerpunkts «Mädchen – Technik – Los!» statt. Das Zentrum für Medizintechnikforschung bot acht Schülerinnen der 6. und 7. Klasse praktische Einblicke in Forschung und Entwicklung. Um die Teilnehmerinnen für technische Berufe zu begeistern und sie via Vorbilder zu inspirieren, wurden sie von zwei Forscherinnen aus verschiedenen Labors willkommen geheissen.

Nach einer kurzen Einführung konnten sich die Mädchen in den Laboren ein Bild vom Berufsalltag in einem MINT-Fach verschaffen und selbst aktiv werden: Sie lernten Organe-auf-Chip-Technologien (Organs-on-Chip Technologies, OOC) sowie Motorisches Lernen und Neurorehabilitation (Motor Learning and Neurorehabilitation, MLN) kennen.

Schülerinnen fertigten im Organs-on-Chip Technologies-Labor am ARTORG Center ihre eigenen Mikrochips an. © Karin Rechberger
Schülerinnen fertigten im Organs-on-Chip Technologies-Labor am ARTORG Center ihre eigenen Mikrochips an. © Karin Rechberger

Im OOC-Labor tauchten die Mädchen in die Welt der Organe-auf-Chip ein, in welcher die Funktionen eines menschlichen Organs auf kleinstem Raum nachgebildet werden. Die Doktorandin Karin Rechberger, die ihre Faszination an einem wissenschaftlichen Beruf selbst an einem Zukunftstag entdeckt hatte, erklärte den Schülerinnen Schritt für Schritt den Prozess der Chip-Herstellung sowie deren Anwendungen – so dass die Teilnehmerinnen anschliessend ihre eigenen Chips produzieren konnten.

Im MLN-Labor durften die Schülerinnen unter Anleitung der Neuropsychologin Karin Bütler, die als Postdoktorandin das Labor stellvertretend führt, am Rehabilitationsroboter Übungen zur Arm-Motorik durchführen, die nach einem Hirnschlag oft einseitig beeinträchtigt ist. Das Labor erforscht Möglichkeiten zur Verbesserung der Rehabilitation von Schlaganfall-Patientinnen und -Patienten.

Die Schülerinnen testeten am Armroboter mit haptischem Feedback bestimmte Bewegungen, die etwa bei der Rehabilitation nach Hirnschlag beeinträchtigt sind. © Karin Bütler
Die Schülerinnen testeten am Armroboter mit haptischem Feedback bestimmte Bewegungen, die etwa bei der Rehabilitation nach Hirnschlag beeinträchtigt sind. © Karin Bütler

«Beim Rehabilitationsroboter versuchen wir, mit neuen Trainingsstrategien die Patientinnen und Patienten beim Wiedererlernen von motorischen Fertigkeiten zu unterstützen», erläutert Karin Bütler. «Die Mädchen konnten unsere Roboter ausprobieren, die mit haptischem Feedback – also einer realistischen Simulation von Umgebungskräften – die sensorischen Fähigkeiten trainieren», so die junge Wissenschaftlerin.

Weiter ging es mit Übungen in einer virtuellen Realität, die Patientinnen und Patienten eine realistische und motivierende Trainingsumgebung bieten soll. Die Mädchen traten gegeneinander an und mussten spielerisch entweder in der virtuellen Realität oder auf einem flachen Computerbildschirm virtuelle Früchte einfangen. Dabei merkten sie, dass die Aufgabe in 2D kaum zu bewältigen war – zu schwierig gestaltete sich dort die Tiefeneinschätzung.

Die Schülerinnen beim Trainieren ihrer sensorischen Fähigkeiten: In einer virtuellen Umgebung sind Bewegungsübungen für gezielte Rehabilitation einfacher auszuführen als am Bildschirm. © Karin Bütler
Die Schülerinnen beim Trainieren ihrer sensorischen Fähigkeiten: In einer virtuellen Umgebung sind Bewegungsübungen für gezielte Rehabilitation einfacher auszuführen als am Bildschirm. © Karin Bütler

Mit Weltraumforschenden ein Instrument bauen

Wie sind Sonne, Erde und andere Himmelskörper entstanden und wie entwickeln sie sich weiter? Woran könnte man einen lebensfreundlichen Planeten erkennen? Solchen Fragen gehen Weltraumexpertinnen und -experten am Center for Space and Habitability CSH nach. Wie sie dazu Hightech-Instrumente entwickeln, bauen und testen, haben Physikerinnen, Ingenieure und Polymechanikerinnen den Kindern am Zukunftstag gezeigt. Sie haben auch veranschaulicht, wie ihre Instrumente mit Raketen und Sonden zu fernen Zielen im All fliegen. Die Kinder reagierten erstaunt, dass die Universität Bern an so vielen Weltraummissionen beteiligt war und ist. Eine der jungen Teilnehmerinnen meinte: «Es ist cool, dass Bern bereits bei der ersten Mondlandung mit einem Instrument dabei war – und dass es schon so lange Weltraumforschende an der Uni Bern gibt.» Ein Junge hatte bisher geglaubt, dass «nur die NASA und ESA Instrumente für den Weltraum bauen».

 

Die Kinder erfuhren am Einführungsvortrag unter anderem, dass Berner Weltraumforschende in 50 Jahren mehrere Dutzend Fluginstrumente und einen Satelliten ins All geschickt haben. © Sylviane Blum
Die Kinder erfuhren am Einführungsvortrag unter anderem, dass Berner Weltraumforschende in 50 Jahren mehrere Dutzend Fluginstrumente und einen Satelliten ins All geschickt haben. © Sylviane Blum

Beim Besuch in der Konstruktionsabteilung zeichnete Konstrukteur Martin-Diego Busch am Bildschirm einen Teil eines Fluginstruments. Dann setzte er am Bildschirm verschiedene Teile zu einem 3-D-Bauplan zusammen. «Instrumente nach Bauplänen zusammenzubauen ist ein bisschen wie bei IKEA», witzelte er. Nur dürfe man weder beim Entwickeln, Herstellen oder Zusammenbauen Fehler machen, denn «man kann die Instrumente im All dann nicht flicken».

Konstrukteur Martin-Diego Busch zeigt den Kindern Instrumententeile, die zur Gewichtseinsparung ausgefräst wurden. Hier sehen sie ein Teil, dessen Pendant auf dem IBEX-Satellit mitfliegt. Dieser ist so gross wie ein Lastwagenreifen und beobachtet die Grenzen des Sonnensystems, während er die Erde seit 2008 umkreist. © Sylviane Blum
Konstrukteur Martin-Diego Busch zeigt den Kindern Instrumententeile, die zur Gewichtseinsparung ausgefräst wurden. Hier sehen sie ein Teil, dessen Pendant auf dem IBEX-Satellit mitfliegt. Dieser ist so gross wie ein Lastwagenreifen und beobachtet die Grenzen des Sonnensystems, während er die Erde seit 2008 umkreist. © Sylviane Blum

Ebenso bildlich erklärte Busch den Kindern die Notwendigkeit von Instrumenten mit so geringem Gewicht wie möglich: «Mit einem zu schweren Rucksack auf dem Rücken könnt ihr nicht hochspringen. Mit zu schweren Instrumenten an Bord kann auch keine Rakete ins All fliegen.» In der Werkstatt sahen die Kinder, wie mithilfe einer 5-Achsen CNC-Maschine Aussparungen in einem Aluminiumteil gefräst werden.

Der Rundgang führte auch ins Test-Labor, wo die Kinder die riesige Temperatur-Vakuum-Kammer sahen, in der Fluginstrumente sehr hohen und niedrigen Temperaturen sowie Strahlungen ausgesetzt werden, wie sie im Weltall herrschen. Am Schluss erkundeten die Schülerinnen und Schüler noch die Vibrationsanlage, auf der Instrumente «geschüttelt» werden, um sicherzustellen, dass sie auch die starken Vibrationen beim Raketenstart überstehen. Dazu ein Junge: «Da will ich doch lieber einmal auch solche Instrumente bauen, statt in einer durchgeschüttelten Rakete zu sitzen.»

Im Testlabor erfuhren die Kinder mehr über die neu instandgesetzte Temperatur-Vakuum-Kammer – darin werden Instrumente auf die harschen im All herrschenden Bedingungen geprüft. © Sylviane Blum
Im Testlabor erfuhren die Kinder mehr über die neu instandgesetzte Temperatur-Vakuum-Kammer – darin werden Instrumente auf die harschen im All herrschenden Bedingungen geprüft. © Sylviane Blum

Nun bauten und löteten die Kinder nach einem Bauplan auch ihr eigenes «Instrument» mit Unterstützung von Polymechaniker-Auszubildenden und dem Werkstattchef. Nach sorgfältiger Arbeit piepsen nun ihre kleinen Solarkäfer zuhause, sobald sie eingeschaltet und dem Licht ausgesetzt sind.

In kleinen Gruppen unter der Anleitung von Polymechanik-Lehrlingen löteten die Kinder nach einem Bauplan minutiös einen kleinen piepsenden und leuchtenden Solarkäfer zusammen. © Sylviane Blum
In kleinen Gruppen unter der Anleitung von Polymechanik-Lehrlingen löteten die Kinder nach einem Bauplan minutiös einen kleinen piepsenden und leuchtenden Solarkäfer zusammen. © Sylviane Blum

Zukunftstag an der Universität Bern

Seit 2013 ist die Universität Bern Teil des Nationalen Zukunftstages. Rund 300 Schüler*innen kommen jedes Jahr an die Universität Bern. Die einzelnen Spezialprogramme für Mädchen und Jungen werden durch verschiedene Institute und Einheiten der Universität getragen.

Gleichstellung an der Universität Bern

Die Universität bekennt sich zur Gleichstellung von Frauen und Männern. Sie fördert mittels effektiver Gleichstellungsinstrumente und Karrieremodelle den Erfolg von Frauen und Männern im Wissenschaftsbetrieb. Die Universität Bern verfügt deshalb über eine universitäre Kommission, eine Abteilung für Gleichstellung sowie über fakultäre Gleichstellungsgremien.

Zu den Autorinnen

Salomé Zimmermann ist Redaktorin in der Abteilung Kommunikation & Marketing an der Universität Bern.

Dr. Monika Kugemann ist Kommunikationsverantwortliche des ARTORG Center for Biomedical Engineering Research an der Universität Bern.

Dr. Sylviane Blum ist Kommunikationsverantortliche des Center for Space and Habitability CSH an der Universität Bern.

Zu den Autorinnen

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