Angriff auf die Fruchtbarkeit
Sie stecken in Sonnencremes, Tofu-Burgern und Plastikflaschen. Die Rede ist von hormonaktiven Substanzen. Wie diese Stoffe auf Mensch und Tier wirken, ist Thema einer Vortragsreihe an der Universität Bern.
Eine Untersuchung aus den USA zeigt: Männer auf dem Land haben weniger Spermien als ihre Geschlechtsgenossen in der Stadt. Die Studie belegt ausserdem, dass Ländler häufiger mit hormonaktiven Substanzen in Kontakt kommen als Städter. Und: Ziehen die Städter aufs Land nimmt ihre Spermienzahl bereits nach einigen Monaten ab.
Das Aussterben des Fischotters in der Schweiz wird den hormonaktiven Substanzen zugeschrieben. (Bild: SNF)
Hormonaktive Substanzen, auch «endocrine disrupters» genannt, stecken etwa in Pestiziden, Plastikflaschen, Flammstoffen, Arzneimitteln und Pflanzen. Sie ähneln den natürlichen Hormonen und können den Hormonhaushalt von Mensch und Tier beeinflussen. Mit den US-amerikanischen Ergebnisse scheint klar zu sein: Die Substanzen mindern auch die männliche Fruchtbarkeit. Ganz so einfach ist es jedoch nicht. Die Daten liefern beunruhigende Hinweise. Bewiesen sei damit aber noch nichts, wie Felix Althaus von der Universität Zürich am Dienstag beim Start der Berner Vortragsreihe zum Thema «Hormonaktive Stoffe in der Umwelt» betonte. Althaus ist Leiter des Nationalen Forschungsprogramms NFP 50, in dem die «endocrine disrupters» genauer unter die Lupe genommen werden.
Forscher fahnden nach Beweisen
Eindeutige Beweise für die Schädlichkeit der hormonaktiven Substanzen zu finden, ist schwer. Das gilt nicht nur für ihren Einfluss auf die Fruchtbarkeit. So häufen sich auch die Hinweise, dass Nonylphenole, Dioxine, polychlorierte Biphenyle (PCB), DDT und verschiedene pflanzliche Östrogene Tier und Mensch krank machen und deren Entwicklung stören können. Die Substanzen sollen etwa für die Ausrottung des Fischotters in der Schweiz, für die missgebildeten Geschlechtsdrüsen der Felchen im Thunersee und für einzelne Krebserkrankungen beim Menschen verantwortlich sein. Unter Laborbedingungen gibt es für solche Zusammenhänge bereits eine Reihe von Belegen, die Beweisführung in der natürlichen Umgebung steht allerdings meist noch aus. Weltweit läuft die Forschung jedoch auf Hochtouren – auch in der Schweiz. Über neueste Ergebnisse und künftige Forschungsarbeiten referieren die Wissenschaftler des NFP 50 derzeit jeweils dienstags ab 18.15 Uhr an der Universität Bern. Die Gonaden der Felchen sind ebenso Thema wie die Spermienqualität des Schweizer Mannes, die Verweiblichung der Umwelt und die hormonartige Wirkweise von UV-Filtern in Sonnencremes.