Forschungs-Highlights: Von Lebermoos als Rauschdroge bis zu Klimaszenarien

Ein Rückblick auf Forschungserfolge der Universität Bern der letzten vier Monate, die in den Medien breite Beachtung fanden: Aktuell sind das Ergebnisse aus der Biochemie und Molekularen Medizin, Klimaforschung, Betriebswirtschaftslehre und der Weltraumforschung.

23. Januar 2019

Wie ein Moos die Medizin revolutionieren könnte, wie die Klimazukunft der Schweiz aussehen, wie man Insekten an den Mann oder die Frau bringt und wie Instrumente des Physikalischen Instituts eine Reise zum Merkur antraten, – diese Berner Forschungs-Highlights der letzten drei Monate waren in den Medien besonders erfolgreich.

Lebermoos: Ein Moos könnte Hanf in der Medizin schlagen

Lebermoos (Radula perrottetii). Bild: Stefan Fischer.
Lebermoos (Radula perrottetii). Bild: Stefan Fischer.

Berner Forschende um Jürg Gertsch vom Institut für Biochemie und Molekulare Medizin haben in Zusammenarbeit mit Kollegen von der ETH Zürich erstmals eine THC-ähnliche Substanz namens Perrottetinen aus Lebermoos molekular und pharmakologisch untersucht. Die psychoaktive Substanz, die als legale Rauschdroge («Legal High») konsumiert wird, hat auch eine schmerzstillende und entzündungshemmende Wirkung, die derjenigen von THC überlegen ist.

Die medizinische Anwendung von Cannabinoiden aus Cannabis wird derzeit weltweit diskutiert. In der Schweiz mehren sich die Stimmen, welche die Cannabisforschung stärken wollen. Das Tetrahydrocannabinol (THC) wird heute in der Medizin bei gewissen Schmerzformen, Muskelkrämpfen, Schwindel und Appetitverlust eingesetzt, ist jedoch ein illegales Betäubungsmittel und kann entsprechende Nebenwirkungen hervorrufen.

Ein biochemischer und pharmakologischer Vergleich zwischen THC und Perrottetinen hat gezeigt, dass das Perrottetinen sehr einfach ins Gehirn gelangt und dort spezifisch Cannabinoid-Rezeptoren aktiviert. Es weist sogar eine stärker entzündungshemmende Wirkung im Gehirn auf als THC, was Perrottetinen für eine medizinische Anwendung interessant macht. «Es ist erstaunlich, dass nur zwei Pflanzengattungen, die 300 Millionen Jahre in der Entwicklungsgeschichte auseinanderliegen, psychoaktive Cannabinoide produzieren», sagt Gertsch.

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Klimaszenarien: Die Klimazukunft wird konkret

Als Folge von Starkniederschlägen überschwemmte der Doubs im Januar 2018 auch eine Kirche in La Lomène bei Sainte-Ursanne. © Mobiliar Lab für Naturrisiken / Multirotors Team
Als Folge von Starkniederschlägen überschwemmte der Doubs im Januar 2018 auch eine Kirche in La Lomène bei Sainte-Ursanne. © Mobiliar Lab für Naturrisiken / Multirotors Team

Die Universität Bern war massgeblich an der Erarbeitung der im November veröffentlichten Klimaszenarien CH2018 beteiligt. Auf Basis dieser Modellberechnungen entwickeln Berner Klimaforschende neue Tools, um Hochwasserrisiken besser zu erkennen. Dafür lancierten sie die «Forschungsinitiative Hochwasserrisiko».

Die Schweiz wird trockener, heisser, schneeärmer und kämpft künftig mit heftigeren Niederschlägen – dies sind die Hauptaussagen der im Auftrag des Bundes erstellten Klimaszenarien CH2018. Erarbeitet wurden die Szenarien – sie unterscheiden unter anderem zwischen der Entwicklung mit und ohne Klimaschutz – gemeinsam durch Forschende von MeteoSchweiz, der ETH Zürich und des Oeschger-Zentrums für Klimaforschung der Universität Bern. «Diese Zusammenarbeit innerhalb der Schweizer Klima-Community hat Tradition», erklärt Christoph Raible. Der Professor für Klimadynamik hat die Berner Beiträge zu CH2018 koordiniert.

Die neuen Klimaszenarien für die Schweiz spielten auch eine wichtige Rolle in der Lancierung der «Forschungsinitiative Hochwasserrisiken ‒ vom Verstehen zum Handeln» (hochwasserrisiko.ch). «Wir wollen Grundlagen für ein besseres Risikomanagement schaffen», umreisst der Berner Hydrologie-Professor Rolf Weingartner das Ziel der diversen Forschungsprojekte.

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Wie man Insekten an den Mann oder die Frau bringt

Heimchen (Acheta domesticus) © Pixabay
Heimchen (Acheta domesticus) © Pixabay

Vor mehr als einem Jahr kamen Insekten erstmals auf die Schweizer Teller. Für viele Menschen ist der Konsum von Insekten trotz verschiedener Vorteile nicht besonders attraktiv. Neue Forschungsergebnisse der Universität Bern zeigen, dass Konsumentinnen und Konsumenten Insekten jedoch positiver bewerten, wenn diese im Luxuspreissegment angesiedelt sind.

Insektenbasierte Lebensmittel haben erhebliche Vorteile für Umwelt und Gesundheit – trotzdem sind viele Menschen in der Schweiz und darüber hinaus nicht von der Idee begeistert, Insekten zu essen. «Insekten haben als Proteinquelle zahlreiche gesundheitliche Vorteile und übertreffen herkömmliches Fleisch in Bezug auf die Treibhausgasemissionen deutlich», sagt Sebastian Berger, Verhaltensforscher am Institut für Organisation und Personal an der Universität Bern. Trotz dieser Vorteile essen Menschen in westlichen Ländern selten Insekten. Teilweise sind sie vorsichtig oder sogar angewidert vom Gedanken, insektenbasierte Lebensmittel zu essen. «Da aber viele dieser Personen gerne Hummer oder Krebs essen – trotz des insektenartigen Aussehens –, ist es möglich, dass sich diese negative Einstellung gegenüber dem Verzehr von Insekten ändern könnte», erklärt Berger.

Bisher wurde nur vereinzelt erforscht, wie Insekten am besten gefördert oder vermarktet werden können, damit sie für eine breitere Öffentlichkeit schmackhafter werden. Neue Forschungsergebnisse von Sebastian Berger und seinem Team legen nun erstmals nahe, dass die Förderung von insektenbasierten Lebensmitteln eher im Luxuspreissegment gelingen könnte. Denn generell gilt: Haben identische Produkte höhere Preise, erwarten Konsumentinnen und Konsumenten eine bessere Qualität.

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BepiColombo: Reise zum Merkur mit Berner Beteiligung

Künstlerische Impression von BepiColombo beim Merkur. © ESA
Künstlerische Impression von BepiColombo beim Merkur. © ESA

Am Samstag, 20. Oktober 2018 um 03:45 Uhr MEZ trat die Raumsonde BepiColombo ihre Reise zum Merkur an. Mit an Bord der Raumsonde der europäischen Weltraumorganisation ESA und der japanischen Weltraumorganisation JAXA sind Instrumente, die am Physikalischen Institut der Universität Bern konzipiert und gebaut wurden: Das Laser Altimeter BELA – das grösste und heikelste Instrument der Mission – und das neuartige Massenspektrometer STROFIO.

Das Laser Altimeter BELA ist eines der wichtigsten Experimente an Bord eines der zwei Raumfahrzeugen (MPO). Das Instrument wurde von einem internationalen Konsortium unter der Leitung der Universität Bern und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR entwickelt. Zielsetzung ist die Vermessung der Form, der Topographie, und der Morphologie der Oberfläche von Merkur. «Im Wesentlichen können wir mit BELA ein 3D-Bild des gesamten Planeten erstellen», erklärt Nicolas Thomas, Co-Projektleiter von BELA und Direktor des Physikalischen Instituts der Universität Bern.

Das zweite Berner Instrument an Bord von BepiColombo ist STROFIO, ein neuartiges Massenspektrometer. Projektleiter ist Peter Wurz, Professor am Physikalischen Institut der Universität Bern und Co-Leiter der Abteilung für Weltraumforschung und Planetologie. Er sagt: «Wir werden mit STROFIO die sehr dünne Atmosphären von Merkur – man spricht von einer Exosphäre – erfassen und die chemische Zusammensetzung analysieren.»

Peter Wurz und Nicolas Thomas waren bereits von Anfang an in die BepiColombo-Mission involviert: Die beiden Berner Weltraumforscher waren Teil der ESA-Arbeitsgruppe (Science Advisory Group), die diese Mission konzipiert hat.

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Zu den Autorinnen

Lea Muntwyler ist Hochschulpraktikantin und Nadine Steinmann arbeitet als Social Media Assistentin in der Abteilung Kommunikation & Marketing.

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