Waghalsige Manöver auf dem Weg zum Merkur

Wenn die Raumsonde BepiColombo am 20. Oktober 2018 in Richtung Merkur abhebt, wird sie auch ein Instrument von Peter Wurz, Professor für Experimentelle Weltraum- und Planetenphysik an der Universität Bern, an Bord haben. Im Interview mit «uniaktuell» erzählt er, welch abenteuerliche Reise dem Massenspektrometer STROFIO bevorsteht.

Interview: Brigit Bucher 08. Oktober 2018

Peter Wurz, Sie sind der Projektleiter des neuartigen Massenspektrometers STROFIO an Bord der Merkur-Raumsonde BepiColombo. Was untersucht dieses Instrument?
STROFIO ist ein Massenspektrometer, welches die sehr dünne Atmosphären von Merkur – man spricht von einer Exosphäre – erfassen und die chemische Zusammensetzung analysieren wird. Es handelt sich um ein sogenanntes ionen-optisches Instrument, welches wir in Bern im Detail berechnet und optimiert haben. Natürlich werden wir dann auch an der Datenauswertung beteiligt sein. Und schon jetzt entwickeln wir an der Universität Bern komplexe mathematische Modelle, um Merkurs Exosphäre zu beschreiben. Diese Modelle werden wir dann für die Interpretation der Daten heranziehen.

STROFIO vor dem Einbau in die Eichkammer am Physikalischen Institut der Universität Bern. © Universität Bern
STROFIO vor dem Einbau in die Eichkammer am Physikalischen Institut der Universität Bern. © Universität Bern
Das Massenspektrometer STROFIO installiert auf dem Mercury Planetary Orbiter (MPO). © Universität Bern
Das Massenspektrometer STROFIO installiert auf dem Mercury Planetary Orbiter (MPO). © Universität Bern

Wann wurde die BepiColombo-Mission zum Merkur konzipiert? Inwiefern waren Sie daran beteiligt?
Die ersten Konzepte gehen auf die frühen 1990-er Jahre zurück. Nicolas Thomas und ich waren dann in der ESA-Arbeitsgruppe, der sogenannten Science Advisory Group, die die BepiColombo-Mission konzipiert hat. Die Konzeptphase dauerte bis zum Jahr 2000. Ich hatte diese Aufgabe vom heute emeritierten Professor Peter Bochsler übernommen, der vor mir in der Arbeitsgruppe war.

Welches sind die grössten Herausforderungen auf dem Weg zum Merkur? Was könnte schiefgehen?
Eine grosse Herausforderung ist Merkurs Nähe zur Sonne. Für die Anreise heisst das, dass man sehr viel Energie aufwenden muss, um die Raumsonde gegen die Anziehungskraft der Sonne abzubremsen, da die Sonde sonst auf die Sonne stürzen würde. BepiColombo macht dies mit einem neuartigen solar-elektrischen Antrieb. Zudem wird die Sonde mehrmals an der Erde, Venus, und Merkur vorbeifliegen, um etwas abzubremsen. Diese Manöver müssen sehr präzise ausgeführt werden, da kann man sich natürlich schon einige Sorgen machen. Zuletzt folgt das Manöver zur Einkoppelung in eine Merkurumlaufbahn, welches mit einem chemischen Antrieb durchgeführt wird. Auch dieses Manöver erfordert hohe Präzision. Unsere Nerven werden also sicher mehrmals strapaziert werden.  

Künstlerische Darstellung der Raumsonde BepiColombo beim Merkur. Die Mission umfasst den Mercury Planetary Orbiter (Vordergrund) der europäischen Weltraumorganisation ESA und den Mercury Magnetospheric Orbiter (Hintergrund) der der japanischen Weltraumorganisation JAXA. Das Bild von Merkur wurde von der NASA-Raumsonde Messenger aufgenommen. © Raumsonde: ESA/ATG medialab; Merkur: NASA/Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory/Carnegie Institution of Washington
Künstlerische Darstellung der Raumsonde BepiColombo beim Merkur. Die Mission umfasst den Mercury Planetary Orbiter (Vordergrund) der europäischen Weltraumorganisation ESA und den Mercury Magnetospheric Orbiter (Hintergrund) der der japanischen Weltraumorganisation JAXA. Das Bild von Merkur wurde von der NASA-Raumsonde Messenger aufgenommen. © Raumsonde: ESA/ATG medialab; Merkur: NASA/Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory/Carnegie Institution of Washington

Warum ist die Universität Bern seit 50 Jahren an der Spitze der Weltraumforschung mit dabei?
Wir haben über die Jahrzehnte immer wieder gezeigt, dass wir sehr hochwertige Instrumente für die Weltraumforschung bauen können. Und mit diesen Instrumenten konnten wir immer wieder spannende Erkenntnisse gewinnen. Die Universität Bern war stets eine verlässliche Partnerin in diesen zahlreichen internationalen Zusammenarbeiten.  Daher werden wir immer wieder für neue Missionen zu aufregenden Zielen im Sonnensystem angefragt.

Wie kam es, dass Sie Weltraumforscher wurden?
Für die Zeit nach meiner Post-Doc Stelle in den USA im Bereich Physikalische Chemie suchte ich eine weiterführende Stelle in Europa. Ich habe mich an mehreren Instituten in verschiedenen Ländern beworben. An der Universität Bern wurde damals jemand mit Erfahrung in Massenspektrometrie für die Weltraumforschung gesucht. Da ich in der Massenspektronomie viel Erfahrung hatte, kam ich nach Bern. Und seither betreibe ich Massenspektrometrie auf dem Gebiet der Weltraumraumforschung an der Universität Bern.

Lesen Sie auch das Interview mit Nicolas Thomas, Professor für Experimentelle Weltraum- und Planetenphysik an der Universität Bern und Co-Projektleiter des Laser Altimeter BELA an Bord von BepiColombo

Zur Person

Peter Wurz ist seit 2008 Professor am Physikalischen Institut der Universität Bern und leitet gemeinsam mit Willy Benz und Nicolas Thomas die Abteilung für Weltraumforschung und Planetologie (WP). Nach einer Ausbildung zum Elektronikingenieur absolvierte er ein Studium der Technischen Physik an der TU Wien. Danach war er Postdoktorand am Argonne National Laboratory, Chicago. Seit 1992 ist er an der Universität Bern tätig. Der Schwerpunkt seiner Arbeit ist der Ursprung und die Entwicklung der Planeten durch Messung der chemischen Zusammensetzung der Atmosphären und Oberflächen von Planeten.

 

Kontakt

Prof. Dr. Peter Wurz
Universität Bern, Physikalisches Institut, Weltraumforschung und Planetologie (WP)
Telefon direkt: +41 31 631 44 26
E-mail: peter.wurz@space.unibe.ch 

Die BepiColombo-Mission

Die BepiColombo-Mission besteht aus zwei Raumfahrzeugen, dem von der europäischen Weltraumorganisation ESA konstruierten und gebauten Mercury Planetary Orbiter (MPO) und dem von der japanischen Weltraumorganisation JAXA konstruierten und gebauten Mercury Magnetospheric Orbiter (MMO).

Die beiden Raumfahrzeuge werden in einem gekoppelten System gemeinsam zum Merkur fliegen, bis sie die Merkurumlaufbahn erreichen. Der MMO wird dann in eine Umlaufbahn von 400 km x 19’200 km gebracht, um die magnetosphärische Wechselwirkung zwischen dem Planeten und dem Sonnenwind detailliert zu untersuchen. Der MPO wird auf eine Umlaufbahn von 400 km x 1’500 km absinken, die optimal für die Fernerkundung der Planetenoberfläche ist.

Mehr Informationen zur Mission auf der ESA-Webseite

Mit an Bord von BepiColombo sind Instrumente, die am Physikalischen Institut der Universität Bern konzipiert und gebaut wurden: Das Laser Altimeter BELA und das neuartige Massenspektrometer STROFIO.

Das Altimeter BELA ist eines der wichtigsten Experimente an Bord des MPO. Zielsetzung ist die Vermessung der Form, der Topographie, und der Morphologie der Oberfläche von Merkur. BELA wird die absolute Höhe und Position der Topographie in einem Merkur-zentrierten Koordinatensystem liefern.

Mehr Informationen zu BELA

Das Massenspektrometer STROFIO ist Teil von SERENA an Bord des MPO. Zielsetzung von SERENA ist die vollständige Charakterisierung der Teilchenpopulationen, der Ionen und Neutralteilchen, im Umfeld von Merkur unter dem Einfluss der Sonneneinstrahlung und des Sonnenwindes.

Mehr Informationen zu SERENA und STROFIO

Berner Weltraumforschung: Seit 50 Jahren an der Weltspitze mit dabei

Die Berner Weltraumforschung in Zahlen ergibt eine stattliche Bilanz: 25mal flogen Instrumente mit Raketen in die obere Atmosphäre und Ionosphäre (1967-1993), 9mal auf Ballonflügen in die Stratosphäre (1991-2008), 33 Instrumente flogen auf Raumsonden mit, und ein Satellit wurde gebaut (CHEOPS, Start 1. Hälfte 2019).

Die erfolgreiche Arbeit der Abteilung Weltraumforschung und Planetologie (WP) des Physikalischen Instituts der Universität Bern wurde durch die Gründung eines universitären Kompetenzzentrums, dem Center for Space and Habitability (CSH), gestärkt. Der Schweizer Nationalsfonds sprach der Universität Bern zudem den Nationalen Forschungsschwerpunkt (NFS) PlanetS zu, den sie gemeinsam mit der Universität Genf leitet.

Zur Autorin

Brigit Bucher arbeitet als Leiterin Media Relations in der Abteilung Kommunikation & Marketing an der Universität Bern.

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