Restaurierung des grössten Heiligtums der Christenheit

Über der Höhle, wo seit dem 4. Jahrhundert das Grab Jesu vermutet wird, steht heute eine Kapelle umgeben von einer Grabeskirche. Professorin Antonia Moropoulou von der NTU Athen hat das antike Bauwerk in Jerusalem restauriert und dabei auch die Marmorplatte entfernt, die das Grab bedeckt. An einem öffentlichen Vortrag an der Universität Bern berichtete sie von den Restaurierungsarbeiten an einer der heiligsten Stätten der christlichen Welt.

Von Stefanos Athanasiou 27. März 2018

Antonia Moropoulou, Professorin für chemisches Ingenieurwesen an der Nationalen Technischen Universität von Athen, hat als Gast des Instituts für Christkatholische Theologie der Universität Bern im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung einen Vortrag über die Restaurierungssarbeiten an der Grabeskapelle (Ädikula) in der Grabeskirche in Jerusalem gehalten. Die Institutsleiterin, Professorin Angela Berlis, eröffnete die Veranstaltung bei vollem Hörsaal und begrüsste die griechische Botschafterin, die Vertreterin der Israelischen Botschaft, den Bischof von Basel Felix Gmür sowie anwesende Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Universitäten der Schweiz, Studierende und Interessierte. Dr. Stefanos Athanasiou präsentierte in einem Input die verschiedenen Bauphasen der Grabeskirche vom 4. Jahrhundert bis heute und betonte besonders die ökumenische und interreligiöse Bedeutung des Gebäudes.

Eine grosse Herausforderung bei der Restaurierung war die Zusammenarbeit mit den drei verschiedenen Konfessionen und den lokalen Behörden, wie Antonia Moropoulou am Vortrag erzählte. Bild: © Universität Bern
Eine grosse Herausforderung bei der Restaurierung war die Zusammenarbeit mit den drei verschiedenen Konfessionen und den lokalen Behörden, wie Antonia Moropoulou am Vortrag erzählte. Bild: © Universität Bern

Die Ädikula kurz vor dem Einsturz

Die Grabeskirche war 1927 von einem starken Erdbeben erschüttert worden, wodurch unter anderem die Ädikula im Innern schwer beschädigt wurde. Da sich die drei für die Ädikula verantwortlichen Konfessionen – das Griechisch-Orthodoxe Patriarchat von Jerusalem, die Römisch-katholische  und die Armenisch Apostolische Kirche – nach dem Erdbeben nur auf die notwendigsten Arbeiten an der Grabeskirche selbst einigen konnten, war die Ädikula vom Einsturz gefährdet. Die damalige palästinensische Mandatsregierung sah sich 1934/35 gezwungen, die Ädikula mit Stahlpfeilern zu stützen. Das Innere und Äussere der Ädikula wurde zudem durch Kerzenruss beschädigt, was die gesamte Konstruktion des Gebäudes in Mitleidenschaft zog. Ältere Fresken und Schriftzüge, die die Ädikula schmückten, waren vom Russ bedeckt. Erst 2016/2017 einigten sich die drei Konfessionen auf eine Restaurierung und beauftragten dafür die renommierte Ingenieurin Antonia Moropoulou. Ausgewählt wurde die Athener Wissenschaftlerin wohl besonders auch, da sie zuvor unter anderem schon Restaurierungsarbeiten an der Hagia Sophia in Konstantinopel (Istanbul) und anderen wichtigen Bauwerken aus der römisch-griechischen und byzantinischen Zeit unternommen hatte.

Der Eingangsbereich der Grabeskirche in Jerusalem, in deren Inneren sich die Grabeskapelle (Ädikula) an der überlieferten Stelle des Grabes Jesu befindet.
Der Eingangsbereich der Grabeskirche in Jerusalem, in deren Inneren sich die Grabeskapelle (Ädikula) an der überlieferten Stelle des Grabes Jesu befindet. Wikimedia Commons / Berthold Werner

«Wir hatten das Gefühl, dass die ganze Welt zuschaut»

Die Inspektion der Ädikula führte Antonia Moropoulou mit einem mehr als 50ig-köpfigen Team der Nationalen Technischen Universität von Athen durch. «Die Arbeiten an der Ädikula waren nicht leicht», betonte Moropoulou in ihrem Vortrag in Bern, «da es sich schliesslich hier um den heiligsten Ort der Christenheit handelt. Unser Team war unter Dauerbeobachtung und wir mussten jeden unserer Schritte gegenüber den drei Konfessionen genau begründen.» Besonders imposant fand Moropoulou die Möglichkeit, mit Infrarotkameras, Laserscanner und Radaren die Ädikula zu analysieren.

Skizze der heutigen Kirche und Rekonstruktion des Geländes zur Zeit der Kreuzigung Jesu.
Skizze der heutigen Kirche und Rekonstruktion des Geländes zur Zeit der Kreuzigung Jesu. Wikimedia Commons / yupi666

Die Wissenschaftlerin fand heraus, dass sich zwischen der Aussen- und der Innenmauer der Ädikula das Felsgestein befindet, das einst die Grabeshöhle ausmachte. Da die Pilgerstätte während den Restaurierungsarbeiten geöffnet blieb, arbeitete das Team häufig während der Nacht. Sechzig Stunden lang wurde der Zugang jedoch für die Pilgerinnen und Pilger gesperrt. Es waren wohl die aufregendsten Stunden des gesamten Projekts: «Wir mussten innerhalb von 60 Stunden die Marmorplatte öffnen und im Inneren des Grabes die nötigen Restaurierungs- und Befestigungsarbeiten durchführen. Das war nicht viel Zeit, und schliesslich wussten wir auch nicht, was wir dort vorfinden würden», unterstrich Moropoulou. Ihr Team war das erste, das seit 1555 die Marmorplatte, die das Grab bedeckt, entfernen durfte. «Als wir die Marmorplatte entfernten, hatten wir das Gefühl, dass uns die ganze Welt zuschaut. Hunderte von TV-Kanälen und die höchsten Kirchenvertreter in Jerusalem waren anwesend. Es war ein prickelndes Gefühl, als wir ins Innere schauen konnten.»

Die Ädikula in der Grabeskirche vor der Restaurierung. Gut sichtbar sind die russgeschwärzten Wände und die stützenden Stahlpfeiler.
Die Ädikula in der Grabeskirche vor der Restaurierung. Gut sichtbar sind die russgeschwärzten Wände und die stützenden Stahlpfeiler. flickr / Jorge Lascar
Bei der Restaurierung der Ädikula wurden die Stahlpfeiler entfernt und die Wände gesäubert.
Bei der Restaurierung der Ädikula wurden die Stahlpfeiler entfernt und die Wände gesäubert. flickr / Larry Koester

Nach der Restaurierung ist das Gebäude nun auch erdbebensicher. Pilgernde und Besuchende können künftig auch das Höhlengestein sehen, das durch die Mauer der Ädikula bedeckt war, da Moropoulou in der Innenfassade ein Glasfenster errichten liess. Ausserdem schmückt wieder ein Kreuz die Ädikula, das während der osmanischen Zeit von den Türken entfernt worden war.

Pilgernde im Innern der Ädikula. Bild: zvg
Pilgernde im Innern der Ädikula. Bild: zvg

Auf die Frage, wie sie die Arbeiten am Grab empfunden hat, antwortete Moropoulou: «Wenn man vor dem Grab steht, dann steht man vor sich selbst und vor seiner Verantwortung für die kommenden Generationen.»

Antonia Moropoulou erklärt den Vertretern der für die Ädikula verantwortlichen Konfessionen die Restaurierungsarbeiten. V.l.n.r.: Antonia Moropoulou, Nourhan Manougian (Armenisch-apostolischer Patriarch in Jerusalem), Pierbattista Pizzaballa (Apostolischer Administrator des Lateinischen Patriarchats in Jerusalem), Theophilos III. von Jerusalem (Patriarch der Griechisch-Orthodoxen Kirche von Jerusalem). Bild: zvg.
Antonia Moropoulou erklärt den Vertretern der für die Ädikula verantwortlichen Konfessionen die Restaurierungsarbeiten. V.l.n.r.: Antonia Moropoulou, Nourhan Manougian (Armenisch-apostolischer Patriarch in Jerusalem), Pierbattista Pizzaballa (Apostolischer Administrator des Lateinischen Patriarchats in Jerusalem), Theophilos III. von Jerusalem (Patriarch der Griechisch-Orthodoxen Kirche von Jerusalem). Bild: zvg.

Zur Person

Prof. Dr. Antonia Moropoulou ist Professorin am Department of Material Science and Engineering und aktuell Vize-Rektorin für Academic Affairs an der Nationalen Technischen Universität Athen (NTUA). Sie war die Leiterin der Restaurierungsarbeiten der Ädikula der Grabeskirche in Jerusalem.

Institut für Christkatholische Theologie

Christkatholische Theologie wird seit 1874 an der Berner Universität gelehrt – von Anfang an international ausgerichtet. Die Christkatholische Theologie wendet ihre besondere Aufmerksamkeit der Frage zu, wie die heute getrennten Kirchen auf Grund des Glaubens der apostolischen Tradition und ihrer Entfaltung in der Kirche des ersten Jahrtausends den Weg zur Einheit finden können. In Lehre und Forschung liegen die Schwerpunkte des Instituts auf Kirchengeschichte, Systematischer Theologie, Liturgiewissenschaft und Ökumenischer Theologie.

Zum Autor

Dr. Stefanos Athanasiou arbeitet als Assistent im Fachbereich Systematische und Orthodoxe Theologie am Institut für Christkatholische Theologie der Universität Bern.

Kontakt: Stefanos.Athanasiou@theol.unibe.ch

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