Berner Hausarztmedizin hat neu vier Professuren

Mit Prof. Dr. Arnaud Chiolero und Prof. Dr. Sven Streit hat das Berner Institut für Hausarztmedizin (BIHAM) neu vier Professoren – und damit am meisten schweizweit. Mit diesem Ausbau setzt die Universität Bern ein starkes Zeichen zur Stärkung der akademischen Hausarztmedizin und gegen den Hausärztemangel.

Von Nathalie Matter 20. September 2018

Die Geschichte des BIHAM begann mit einem Sprung in die Aare: 1977 liessen sich der damalige Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und ein Hausarzt im kühlen Nass treiben und sprachen über ihr Vorhaben, die Ausbildung in Hausarztmedizin zu stärken. Sechs Jahre später entstand an der Medizinischen Fakultät der Universität Bern die Fakultäre Instanz für Allgemeinmedizin (FIAM). Daraus entstand 2009 das BIHAM. Die Universität Bern unterstützte so den lang geäusserten Wunsch der Politik und Ärzteschaft, ein Institut zu schaffen und die Hausarztmedizin in Lehre und Forschung an der Universität zu verankern. Seit 2014 verfügt das BIHAM über ein Ordinariat, welches 2016 auf zwei Stellen aufgeteilt wurde. Prof. Dr. Nicolas Rodondi wurde als Ordinarius und Prof. Dr. Reto Auer als Assistenzprofessor gewählt.

Ausgebaut und umgezogen: das BIHAM befindet sich neu im renovierten Gebäude Uni Mittelstrasse. Bild: Franziska Rothenbühler
Ausgebaut und umgezogen: das BIHAM befindet sich neu im renovierten Gebäude Uni Mittelstrasse. Bild: Franziska Rothenbühler

«Die Nachwuchsförderung wurde am BIHAM von Anfang gross geschrieben – auch wegen des Hausärztemangels im Kanton Bern», sagt Prof. Dr. Sven Streit. Streit ist Hausarzt und  ehemaliger Präsident der Jungen Hausärzte Schweiz. 2016 wurde er als Leiter des von Rodondi neu geschaffenen Bereichs «Nachwuchsförderung und Vernetzung Hausärzte» gewählt. Kurz darauf wurde Prof. Dr. Arnaud Chiolero, Epidemiologe und Facharzt für Prävention und Gesundheitswesen, als stellvertretender Direktor am BIHAM angestellt.

Ausbau der Forschung

Die Universität Bern setzt mit den nun neu vier Professuren ein deutliches Zeichen zur Stärkung der akademischen Hausarztmedizin im Kanton Bern. «Das BIHAM erhält damit optimale Voraussetzungen, um die in den letzten Jahren deutlich sichtbaren Forschungsbestrebungen weiter auszubauen», sagt Arnaud Chiolero. Aktuelle Projekte werden mit insgesamt 3.7 Mio. Franken unter anderem vom Schweizerischen Nationalfonds SNF gefördert.

Mit den Professuren von Arnaud Chiolero und Sven Streit werden zwei bisherige Forschungsschwerpunkte verstärkt: Chiolero leitet die Forschung über die Epidemiologie von Bluthochdruck, kardiovaskularer Prävention und Überdiagnose. Streit erforscht Wege, um Menschen mit mehreren Krankheiten und Medikamenten optimal zu versorgen. Weiter untersucht er Faktoren, welche den hausärztlichen Nachwuchs fördern. Die gefundenen Resultate setzt er im Weiterbildungsprogramm «Berner Curriculum für Allgemeine Innere Medizin AIM» in die Tat um.

Grosses Wachstum innert zwei Jahren: Mittlerweile arbeiten am BIHAM 38 Personen. Bild: zvg
Grosses Wachstum innert zwei Jahren: Mittlerweile arbeiten am BIHAM 38 Personen. Bild: zvg

Verdoppelung in nur zwei Jahren

In den vergangenen zwei Jahren erlebte das BIHAM einen Schub: Erstmals in seiner Geschichte gelang es, für gleich vier Studien vom Schweizerischen Nationalfonds – teilweise im Rahmen des Nationalen Förderprogramms NFP 74 «Gesundheitsversorgung» – Drittmittel einzuwerben.

Auch personell wuchs das BIHAM: 2017 konnte es erstmals drei PhD-Stellen anbieten, «und «bei den Mitarbeitenden gab es eine Verdoppelung in nur zwei Jahren» betont Chiolero. Diese Erfolge basieren auch auf der engen Zusammenarbeit des BIHAM in Lehre und Forschung mit anderen Instituten der Universität Bern, wie dem Institut für Sozial- und Präventivmedizin (ISPM), dem Inselspital sowie mit der Ärztegesellschaft des Kantons Bern (BEKAG) und dem Verein Berner Haus- und Kinderärzte (VBHK).

Davon profitiert auch die Weiterbildung: Praxisassistenzstellen, bei denen zukünftige Hausärztinnen und Hausärzte eine Assistenz in einer Berner Hausarztpraxis absolvieren können, wurden von 21 auf 35 erhöht. «Diese Weiterbildung ist zentral, um die Anzahl Hausärztinnen und Hausärzte längerfristig zu erhöhen», sagt Streit. Damit verfügt das Berner Praxisassistenz-Programm, das von ihm geleitet wird, ab 2019 über schweizweit am meisten Stellen. Besonders erfreulich für das BIHAM: Der Grosse Rat unterstützte 2017 diesen Ausbau auf 35 Stellen einstimmig und zeigte damit, dass er sich für die Universität und eine starke Hausarztmedizin einsetzt.

ZU DEN PERSONEN

Bild: zvg

Prof. Arnaud Chiolero, MD PhD, ist Epidemiologe, Facharzt für Prävention und Gesundheitswesen und Adjunct Professor an der Universität McGill, Montreal, Kanada. Nach einigen Jahren klinischer Tätigkeit absolvierte er einen MSc in Epidemiologie an der Universität of Rotterdam, Niederlande und ein PhD in Epidemiologie an der Universität McGill. Diesen Sommer wurde er von der Medizinischen Fakultät der Universität Bern im Fach Public Health und Hausarztmedizin habilitiert und auch als Assoziierter Professor promoviert. Neben seiner Forschungstätigkeit unterstützt er insbesondere die Entwicklung des PhD-Programms und die Betreuung PhD-Studierender, in enger Zusammenarbeit mit dem ISPM. Er ist auch Chefarzt Epidemiologie vom Walliser Gesundheitsobservatorium (WGO; www.ovs.ch) in Sion, wo er die wissenschaftlichen und medizinischen Aktivitäten überwacht.

Kontakt:

Prof. Dr. med. Arnaud Chiolero, PhD
Berner Institut für Hausarztmedizin (BIHAM)
Mittelstrasse 43
3012 Bern
Tel. +41 31 631 58 72
arnaud.chiolero@biham.unibe.ch

Bild: zvg

Prof. Sven Streit, MD MSc, ist Hausarzt in Konolfingen und Leiter Nachwuchsförderung und Vernetzung Hausärzte. Er absolvierte einen MSc in Epidemiologie an der London School of Hygiene and Tropical Medicine sowie ein PhD am Department of Public Health and Primary Care am Leiden University Medical Center zum Thema Hypertonie beim älteren gebrechlichen Patienten. Nach seiner Rückkehr aus den Niederlanden wurde er von der Medizinischen Fakultät im Fach Hausarztmedizin/Allgemeine Innere Medizin habilitiert. Für Bern war dies ein besonderes Novum, da dies die erste Habilitation eines Hausarztes war. Die Universität Bern ernannte ihn ausserdem per 1.7.2018 zum Assistenzprofessor. Streit leitet den Bereich «Nachwuchsförderung und Vernetzung Hausärzte» sowie das Weiterbildungsprogramm «Berner Curriculum für Innere Allgemeine Medizin AIM».

Kontakt:

Prof. Dr. med. Sven Streit, MSc
Berner Institut für Hausarztmedizin (BIHAM)
Mittelstrasse 43
3012 Bern
Tel. +41 31 631 58 75!
sven.streit@biham.unibe.ch

Berner Hausarztmedizin: bestens vernetzt

Das BIHAM betreibt als universitäres Institut Lehre und Forschung in der Hausarztmedizin. Ein wichtiger zusätzlicher Schwerpunkt ist die Nachwuchsförderung. Diesen Auftrag erfüllt das BIHAM in Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Hausärztinnen und Hausärzten und der Fakultät, den verantwortlichen politischen Behörden sowie den Standes- und Fachgesellschaften. Das BIHAM ist Bindeglied zwischen den praktizierenden Hausärztinnen und Hausärzten und der Universität. Unter anderem bieten fast 700 Hausärztinnen und Hausärzte Praktika für jährlich 320 Studierende an. Für eine vernetzte und patientenorientierte Grundversorgung generiert das BIHAM die akademischen Grundlagen. Es engagiert sich auch in der Weiterbildung, unter anderem im «Berner Curriculum für Allgemeine Innere Medizin», dem schweizweit grössten strukturierten Programm für angehende Hausärztinnen und Hausärzte und Spitalgeneralisten auf dem Weg zum Facharzttitel Allgemeine Innere Medizin. Um die Forschung in den Bereichen Primärversorgung, Epidemiologie und öffentliche Gesundheit zu stärken, arbeitet das BIHAM eng mit dem Institut für Sozial- und Präventivmedizin (ISPM) der Clinical Trials Unit (CTU) und mit dem Inselspital zusammen.

Zur Autorin

Nathalie Matter ist Mitarbeiterin bei Media Relations an der Universität Bern.

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